„Also eigentlich will ich David Bowie oder Madonna sein. Aber das scheitert an mir. Und das Scheitern zeige ich dann.“

Am Freitag, den 17. Mai kehrt unsere Lesereihe nach Weimar zurück. In der ACC Galerie lesen Deniz Ohde, Sina Stolp und Kathleen Kröger aus ihren Texten. Wie immer wird die Veranstaltung von ausgesuchter Musik begleitet und gerahmt. Diesmal haben wir den Weimarer Musiker, Performance- und Medienkünstler Tommy Neuwirth dabei, den wir hier im Kurzinterview vorstellen. http://tommyneuwirth.de/

TommyNeuwirth_Duygu_Atceken
Tommy Neuwirth (Foto: Duygu Atçeken)

Lieber Tommy, du arbeitest an den Schnittstellen von Medienkunst, Performance und Musik. Wie greifen diese Bereiche innerhalb deiner Arbeit zusammen?

Ich komme von der Musik. Das ist sozusagen das Element, das mich antreibt. Das Performative hat sich eher so mit der Zeit eingeschlichen. Wenn es darum geht seine Musik auf einer Bühne zu präsentieren, dann kommt man im besten Fall dahin sich zu fragen, was das heißt auf einer Bühne zu stehen. Und wenn man dann ein paar Mal auf eine Bühne gestanden hat, hat das wiederum Einfluss auf die zukünftige Musik. Viele Lieder lassen sich fast gar nicht mehr von der Performance trennen, was es wieder schwerer macht die Lieder allein auf einen Tonträger zu übertragen. Ja, und ich lasse mich auch gern von Sachen – anderer Musiker z.B. – die ich sehr mag beeinflussen bzw. tatsächlich auch ermutigen.

Du bist für unsere Veranstaltung mit deinem bürgerlichen Namen angekündigt, tritts aber auch unter dem Namen „Das weltweite Netzwerk für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ auf. Kannst du einen kurzen Überblick über deine verschiedenen Projekte und Auftrittsweisen geben?

Das fliest ja alles ineinander über. Auftreten tue ich seit 2007. Damals noch zu zweit unter dem Namen THE!. Das war experimentelle elektronische Tanzmusik mit viel Pop-Appeal. Im Studium an der Bauhaus-Uni hatte es sich allhalbjährlich so ergeben, dass wir – ein loser und wechselnder Haufen an Musikbegeisterten – im Rahmen der Bauhaus FM 48 Stunden Sendung längere bis stundenlange Musikimprovisationen veranstaltet haben. Irgendwann saß ich dann nachts allein im Radiostudio und habe 4 Stunden Musik improvisiert. Das hieß dann irgendwann »The Art of Boredom«. Ja, und Langeweile lässt sich heutzutage eigentlich nur mit einem Grundeinkommen realisieren.
Schließlich trete ich seit 2013 unter den Namen »DwNfebG« auf – im Blaumann auf einem Bierkasten stehend, mit Songs, keine Improvisationen. Ich bin nämlich ein Pop-Musiker. Also eigentlich will ich David Bowie oder Madonna sein. Aber das scheitert an mir. Und das Scheitern zeige ich dann. So in etwa.

Tja, und was der Unterschied zwischen Tommy Neuwirth und »DwNfebG« ist? – Vielen Veranstaltern ist der Name zu kryptisch. Oder manchmal ist er einfach viel zu lang für einen Flyer. Haha. Und ich bin dann einfach zu freundlich und sage: Ja dann nehmt halt Tommy Neuwirth.

Das Format im Jenaer Kunsthof war ein Versuch Improvisation zu wagen. Ich werde das jetzt wahrscheinlich auch mehr in meine Konzerte einbauen. Und ich fand das wortlose Improvisieren passender für eine Lesung. Meine vorbereiteten Songs und ihr performativer Charakter sind teilweise zu knallig oder zu plakativ.

Das „weltweite Netzwerk für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ ist für dich sicher mehr als nur ein Name, sondern auch ein tatsächliches Anliegen, oder?

Michael Bohmeyer von »Mein Grundeinkommen« sah mich im Dezember auf dem CCC in Leipzig und schrieb mich kurz danach an, ob ich nicht Lust habe, mal im Rahmen von »Mein Grundeinkommen« aufzutreten. Das fand ich sehr lustig. Ich bewundere den Aktionismus (weis gerade nicht, ob das das richtige Wort ist) von solchen Projekten – von utopischen oder politischen Projekten im Allgemeinen. Aber ich habe mir den Namen eher einfach so angeeignet, einfach weil es möglich ist. Das ist, glaube ich, noch so ein Rest postmoderner Quatsch, aber es kommt auch der Art, wie ich Musik mache sehr nah – also viel Sampling, Bezüge und Preset-Klänge. Nichtsdestotrotz finde ich ein Grundeinkommen eine utopische (im positiven Sinne) und streitbare (im positiven Sinne) Idee.

Bei deinen Musikperformances im Jenaer Kunstverein im März konnte man schnell den Eindruck bekommen, dass DADA-Elemente eine Rolle in deiner Kunst spielen. Ist der Eindruck völlig falsch? Welche Einflüsse prägten oder prägen dich bei der Erarbeitung deiner Stücke?

Ich hatte am 3. Mai einen Auftritt im Retronom in Erfurt zur tollen Ausstellung von Christoph Blankenhain. Danach saß ich mit zwei Bekannten zusammen und es stand die Frage im Raum, ob es Helge Schneider Einflüsse gibt, oder nicht und ob man sich dem Einfluss von Helge Schneider überhaupt verwehren kann und wenn ja ob das überhaupt schlimm ist, weil dieser tolle Künstler einfach, was das Clowneske angeht so viele Sachen vorgelegt hat.

Ich glaube, ich nutze die Bühne, um für mich die Möglichkeit des Scheiterns zu üben, weil mir das im Alltag sehr schwer fällt. Und Scheitern auf der Bühne hat dann sowas Clownhaftes und das kann man ja auch verstärken und übertreiben. Dann kann es schon sehr DADA werden. Es ist aber eher so, dass mich Sachen – wie oben schon mal angedeutet – die ich sehr mag, zu Handlungen ermutigen. Zum Beispiel zu sagen, dass ich mich auf einen Bierkasten stelle und wie ein Alleinunterhalter meine Lieder singe, dass ist der Einfluss von John Maus – ein amerikanischer Popmusiker, der bei Auftritten über die Vollplaypack!!!-Versionen seiner Songs einfach nochmal drüber singt und teilweise schreit. Aber es ist so, dass er mir gezeigt hat, dass man auch ohne Instrument seine Lieder performen kann, dass da ganz viel über den Körper geht. Also ich brauche hin und wieder kleine oder große Anstupser und ich suche dann mit diesen Anstupsern oder unabhängig davon meinen eigenen Ausdruck.

Du stehst ja auch öfter im Zusammenhang mit Literaturveranstaltungen auf der Bühne. Wie ist denn dein Verhältnis zur Literatur, gerade auch in Wechselwirkung mit deiner Kunst? Welche Rolle spielt bspw. Text für dich?

Tolle Frage! Ich tue mich schwer mit Text. Ich möchte hier, glaube ich, gar nicht ausführen, warum das so ist. Das hat auf jeden Fall viel mit Vorsicht zu tun. Viele meiner Texte sind ja oft nur ein Satz, den ich dann wiederhole. Oder wo im Laufe des Song nur ein weiteres Wort hinzukommt, damit die Aussage kippt oder eine Wendung entsteht (»Halte mich, halte mich, … halte mich aus«). Wo ich herkomme, wurde nicht bis sehr wenig gelesen. Und heute lese ich auch eher z.B. soziologische Texte. Und die dann aber auch eher in der naiven Hoffnung, dass sie mir Lebensratgeber sind. Hahahaha. Literatur und Poesie kommen mir aber immer näher und näher. Es ist ja auch so, dass ich hin und wieder kleinere Sachen schreibe. Durch mein Studium ist sogar das kleine Büchlein »Everything Is Alright« entstanden.

Was für Texte sind darin erschienen?

Das Buch versammelt Beobachtungen, die ich in einem herstellenden Betrieb, in dem hohe Reinheitsvorschriften herrschen, sammeln konnte. Da geht es viele um Langeweile und Absurdität. Letzteres habe ich dann in den Texten manchmal noch sehr überspitzt. Die Texte oszillieren zwischen beobachtend, phantastisch und poetisch.

Das werde ich auf jeden Fall lesen. Vielen Dank für deine Antworten!

///

IN GUTER NACHBARSCHAFT #21

Lesung, Gespräch, Musik mit Deniz Ohde, Sina Stolp, Kathleen Kröger und Tommy Neuwirth

17. Mai 2019 – 19:30 Uhr

ACC Galerie Weimar (Burgplatz 1-2, 99423 Weimar)

Eintritt: 5,-€ / ermäßigt 3,-€ (nur Abendkasse)