Vorgestellt: Lisa Goldschmidt

Am 30.6. findet in Schillers Gartenhaus in Jena In guter Nachbarschaft #13 statt. Die Lesung wird sich diesmal den Preisträger*innen des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen widmen. Mit dabei ist auch Lisa Goldschmidt, die für ihr dreiteiliges Gedicht seht mich verschwinden ausgezeichnet wurde. Wir stellen sie im Kurzinterview vor.

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Lisa Goldschmidt (Foto: privat)

Mario Osterland: Liebe Lisa, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Erfolg beim Jungen Literaturforum Hessen-Thüringen. Das war ja bereits deine dritte Teilnahme. Wie bist du damals auf das Forum aufmerksam geworden und was schätzt du daran besonders, dass dich zu weiteren Einsendungen ermutigt hat?

Lisa Goldschmidt: Erstmals aufmerksam geworden bin ich auf das Junge Literaturforum durch meinen Mitbewohner Nils Brunschede, der mit seinen Gedichten ebenfalls Preisträger des Jahres 2014 war. Über meinen anderen Mitbewohner, Robert Stripling, bin ich im letzten Jahr auf den open mike aufmerksam geworden. In diesem Sinne, so romantisch es auch klingen mag, wäre ich wohl, hätte ich mich für andere Mitbewohner entschieden, vielleicht nicht zum Schreiben gekommen, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Es war schon ein glücklicher Zufall, falls man es so nennen kann. Was ich am Jungen Literaturforum schätze, ist die Förderung junger Autoren/Autorinnen, vor allem im Rahmen der Seminare und Workshops. Was mich zu weiteren Einsendungen bewog und mich auch für kommendes Jahr (was mein letztes sein wird) noch reizt: einmal mit einem Haiku den Hauptpreis zu gewinnen und es so abzuschließen, wie alles begann. (Ein kurzer Dank soll hier auch an meine Mutter gehen, die, vor einem Werk von Barnett Newman stehend, mich zu meinem ersten Haiku inspirierte, was 2015 in der Nagelprobe veröffentlicht wurde)

M.O.: Du warst in diesem Jahr mit dem dreiteiligen Gedicht seht mich verschwinden erfolgreich. Was reizt dich an der Lyrik?

L.G.: Für mich zeichnet sich die Lyrik durch ein völlig anderes Denken aus, das jenseits der Narration und des Verstehens, auf fragmentarische und instabile Weise abstrakte Raum- und Bildwelten schafft, die ohne jeglichen Nutzen Sinnhaftigkeit besitzen.

M.O.: Schreibst du auch Prosa oder Dramatik?

L.G.: Sofern ich im Sommer Zeit haben werde, werde ich mich an Kurzprosa heranwagen. Was Dramatik angeht: ich weiß nicht, ob ich hierfür schon alt genug bin.

M.O.: Du hast an der Akademie für Bildende Kunst in Karlsruhe studiert. Siehst du dich mehr als Künstlerin oder mehr als Autorin?

L.G.: Weder noch. Über diese Begrifflichkeiten und Attributierungen sollten andere entscheiden. Ob und inwiefern diese Bezeichnungen valide sind, kann ich als Psychologin nicht entscheiden, da sie statistisch nicht auf Kausalität zurückgeführt werden können. Aber ja: ich denke, eine Korrelation zwischen beidem besteht durchaus.

M.O.: Gibt es konkrete Pläne die bildenden Künste und die Literatur miteinander zu verbinden? Oder hast du das bereits gemacht?

L.G.: Konkrete Pläne gibt es keine. Viel eher beeinflussen sich beide Sphären intuitiv und gehen fließend ineinander über. Dennoch zeichnen sich, so denke ich, die experimentelleren Gedichte auch durch meine malerisch-abstrakte Ästhetik aus, die sich einer Konkretisierung und Verdinglichung der Sprache (im Sinne einer Vermittlung konkreter Inhalte) entzieht und stärker in ein synästhetisches, mehr-ebenen-förmiges Ganzes integriert: in ein Zusammenspiel aus Form, Klang, Abstraktion und Unbewusstem.

M.O.: Vielen Dank für deine Antworten!

Lisa Goldschmidt, geb. 1993 in Freiburg im Breisgau, studierte von 2011 bis 2013 freie Kunst an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe. Seit 2013 studiert sie Psychologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. 2015 und 2016 war sie Preisträgerin des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen, 2016 Finalistin des 24. open mike in Berlin.

30.6. – Jena – In guter Nachbarschaft #13 – Junges Literaturforum Edition

IN GUTER NACHBARSCHAFT #13 – Lesung der PreisträgerInnen des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen 2017

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Freitag, 30. Juni 2017 – Schillers Gartenhaus (Schillergäßchen 2, 07745 Jena)

Beginn: 19:30 Uhr

Eintritt: 3,-€ (nur Abendkasse)

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Das Junge Literaturforum Hessen-Thüringen schreibt jedes Jahr einen Literaturwettbewerb aus, an dem sich 16- bis 25-Jährige mit Wohnsitz in Hessen und Thüringen beteiligen können. Bei der unabhängigen Lesereihe „In guter Nachbarschaft“ gehört es ebenso zur guten Tradition, die aktuellen PreisträgerInnen aus ihren prämierten Texten lesen zu lassen: Texte, die unserer eigenen Gegenwart auf der Spur sind, Stimmen, die uns von jetzt an begleiten werden.

Eingeladen in diesem Jahr sind Lisa Goldschmidt (Frankfurt/Main), die für ihren Text seht mich verschwinden ausgezeichnet wurde, und Joshua Schößler (Jena), der mit seinem Text Betrug die Jury überzeugen konnte. Annika Scheffel (Berlin), ehemalige Preisträgerin des Jungen Literaturforums und mittlerweile eine feste Stimme der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, wird an diesem Abend aus ihrem aktuellen Romanprojekt „Hier ist es schön“ lesen, für das sie 2015 mit Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichent wurde.

Eine Veranstaltungen der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V. in Kooperation mit Schillers Gartenhaus (Universität Jena), mit freundlicher Unterstützung vom Hessisches Literaturforum im Mousonturm e.V.

LISA GOLDSCHMIDT, 1993 in Freiburg im Breisgau geboren, studierte von 2011 bis 2013 freie Kunst an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe. Seit 2013 studiert sie Psychologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. 2015 und 2016 war sie Preisträgerin des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen, 2016 Finalistin des 24. open mike in Berlin.

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Lisa Goldschmidt (Foto: privat)

JOSHUA SCHÖßLER, 1992 in Düsseldorf geboren, studiert Philosophie und Germanistische Literaturwissenschaft in Jena. Er schreibt seit seiner Jugend hauptsächlich kürzere Prosa, nachzulesen auf: http://www.skklnt.wordpress.com

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Joshua Schößler (Foto: Julia Hauck)

ANNIKA SCHEFFEL, 1983 in Hannover geboren, ist Prosa- und Drehbuchautorin. Für ihre Arbeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit einem Stipendium der Drehbuchwerkstatt München und dem Förderpreis zum Grimmelshausen-Preis für ihren 2010 erschienen Debütroman BEN (kookbooks). Im Februar 2013 erschien ihr neuer Roman Bevor alles verschwindet (Suhrkamp). Für ihr aktuelles Romanprojekt Hier ist es schön wurde sie 2015 mit dem Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet. Annika Scheffel lebt mit ihrer Familie in Berlin.

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IN GUTER NACHBARSCHAFT #13 ist eine Kooperation mit Schillers Gartenhaus (Friedrich-Schiller-Universität Jena) mit freundlicher Unterstützung des Hessischen Literaturforums im Mousonturm e.V.

27.6. – Bayreuth – In guter Nachbarschaft zu Gast bei Sübkültür

In guter Nachbarschaft goes Franken! Am 27.6. sind Peter Neumann und Mario Osterland zu Gast bei Sübkültür in Bayreuth. Sie lesen aus ihren aktuellen literarischen Arbeiten, stellen die Lesereihe vor und sprechen mit den Kulturschaffenden vor Ort über Organisation, Förderung und Entwicklung alternativer Kulturprojekte.

27. Juni 2017 – Forum Phoinix Bayreuth (Kämmereigasse 9 1/2, 95444 Bayreuth)

Beginn: 20 Uhr

Vorab sprach Mario Osterland mit Anja Zeilinger. Sie lebt als Kulturschaffende in Bayreuth und Berlin, führt eine Pop-Up-Galerie im fränkischen Raum und ist eine der Organisatorinnen von Sübkültür.

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Anja Zeilinger (Foto: privat)

Mario Osterland: Liebe Anja, was für ein Projekt ist Sübkültür?

Anja Zeilinger: Wir organisieren sehr unterschiedliche Veranstaltungen – eigentlich alles, was uns sonst in Bayreuth fehlt. Das sind Filmabende, Konzerte und Lesungen, aber auch Kunst-Performances oder Diskussionsrunden. Ein Schwerpunkt liegt auf selbst gestalteten Abenden mit Beteiligung des Publikums: Wir geben ein Thema vor, und die Leute bringen Objekte, Musik, Filmclips oder Anderes mit und präsentieren ihre Geschichten dazu. Da gab es schon Themen wie Absagen, Schimmel, 100 Jahre DADA und aktuell heute: Sex, Aufklärung und Rollenverständnisse in verschiedenen Kulturen. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern eine immer spannende Aufnahme von kulturellen Phänomenen. Weitergehend machen wir mit dieser unabhängigen Reihe natürlich auch Kulturpolitik, wir fördern regionale Kulturschaffende aller Art.

M.O.: Welche kulturpolitische Arbeit leistet ihr in Bayreuth?

A.Z.: Zunächst übernehmen wir eine Nachwuchs-Förderung, die es hier sonst kaum gibt. Natürlich kommen bei uns auch Profis auf die Bühne, aber ebenfalls junge oder wenig erfahrene Künstler*innen oder Autor*innen, die außergewöhnliche Ideen verwirklichen möchten. Wir zahlen daher auch immer ein Honorar. Außerdem vergeben wir jedes Jahr in Kooperation mit dem Bayreuther Kurzfilm-Festival „Kontrast“ einen Sonderpreis, letztes Jahr haben wir zudem drei kleine Anschubstipendien vergeben. Letztlich haben wir hier eine feste Institution für das Außergewöhnliche und Abseitige etabliert. Unsere Räumlichkeiten stellen aktuell noch eine Zwischennutzung dar, wir arbeiten aber ganz offiziell mit dem Kulturamt und dem Bauamt daran, hier nach der nötigen Sanierung ein dauerhaftes Kunst- und Kulturhaus zu verwirklichen.

M.O.: Wie stark seid ihr als Förderer der Kulturszene selbst abhängig von Fördermitteln? Wie akquiriert ihr beispielsweise die Mittel für Stipendien und den Filmpreis?

A.Z.: Wir haben bisher keine öffentlichen Gelder aus Stadt- oder Landesmitteln erhalten, aber uns ehrlich gesagt auch nicht darum bemüht. Verschiedene Einzelveranstaltungen wurden durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert, aber unsere hauptsächliche Finanzierung läuft über den Getränkeverkauf und die Mitgliedschaften. Wir sind als Verein organisiert und haben etwa vierzig Jahresmitglieder, und die Gäste erwerben statt eines Eintrittspreises eine Monatsmitgliedschaft für 2€. Das reicht tatsächlich!

M.O.: Hört sich an, als ob die Reihe in Bayreuth ganz gut angenommen wird. Welches Feedback bekommt ihr?

A.Z.: Von unseren Gästen natürlich positives, sonst würden sie ja nicht kommen… Generell sind wir nach vier Jahren auch denjenigen ein Begriff, die noch nie bei uns waren. Sicher gibt es Menschen, die mit unserem Stil nichts anfangen können, aber da gibt es keine offenen Konfrontationen. Die konstruktive Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung zur Etablierung des Kunst- und Kulturhauses spricht für sich. Nun müssen wir uns noch selbst daran gewöhnen, irgendwie etabliert zu sein. Es ist natürlich schön, dass uns das gelungen ist, ohne unsere Identität aufzugeben – das ist auch so eine Befürchtung von unabhängigen Kulturschaffenden, die in der Realität oft gar nicht virulent ist.

M.O.: Trotzdem will man ja etwas Nachhaltiges schaffen, sodass die Reihe dann auch einer gewissen Professionalisierung und Etablierung bedarf, oder?

A.Z.: Natürlich! Professionell im Sinne von gut organisiert und konzeptuell durchdacht waren wir ja auch von Anfang an. Dennoch begann es als ein Abenteuer, und die allgemeine Akzeptanz kam erst mit der Zeit. Viele beklagen, dass Bayreuth durch die Dominanz der Festspiele eine marginalisierte Kulturszene habe. Man kann dafür hier recht ungestört Formate und Initiativen entwickeln, die in anderen Städten vielleicht eher vereinnahmt werden. Ich sehe hier eher Chancen als Hürden.

M.O.: Damit hast du meine nächste Frage schon fast beantwortet, nämlich die nach dem allgemeinen kulturellen Klima in Bayreuth. Von außen bekommt man ja erstmal nur Wagner und die Festspiele mit.

A.Z.: Ja, das ist klar. Man kann sich natürlich daran reiben. Ich sehe es als Herausforderung, selbst Projekte zu verwirklichen. Da sollte man auch ehrlich sein: Es ist gerade durch diese Situation viel leichter als in übersättigten Städten, mit interessanten Ideen ein Publikum zu erreichen. Außerdem gibt es noch andere Gründe für so manchen Mangel. Beispielsweise haben wir keine Kunsthochschule. Das würde natürlich die Situation entscheidend ändern.

M.O.: Wir verfolgen mit In guter Nachbarschaft immer eine kulturelle Vernetzung der Städte Erfurt, Weimar und Jena, was auch recht gut funktioniert. Wie sieht das in den kleineren Städten in Franken aus? Seid ihr beispielsweise im Austausch mit Kulturschaffenden in Bamberg oder Erlangen?

A.Z.: Innerhalb Bayreuths sind wir sehr gut vernetzt und kooperieren häufig, auch mit Veranstaltungsreihen. In größerem Radius hat sich das für uns als Institution bisher nur punktuell ergeben. Durch die Gründung des Kunst- und Kulturhauses ändert sich das gerade.

M.O.: Und es geht über die Bundeslandgrenzen hinaus! Es freut uns sehr, dass wir demnächst eure Gäste sein dürfen. Wie seid ihr darauf gekommen?

A.Z.: Viele Anstöße für unser Programm ergeben sich natürlich durch persönliche Begegnungen und Bekanntschaften, wie unserer. Ich freue mich auf Euren Besuch – unabhängig von Eurer Lesung werden wir uns ja auch als Kulturschaffende wiedersehen. Wird das quasi ein interkultureller Austausch, oder sind sich die regionalen Rahmenbedingungen unserer Projekte ähnlicher, als man denken könnte?

M.O.: Das werden wir an diesem Abend herausfinden. Natürlich bei fränkischem Bier. Kulturreise ist Kulturreise. Danke für das Gespräch, liebe Anja!

 

hr2-Literaturpreis 2017 für Joshua Schößler

Joshua Schößler, der bereits mehrfach zu Gast am offenen Mikrofon unsere Lesereihe war, erhält für seine Kurzgeschichte Betrug den hr2-Literaturpreis 2017. Der Jenaer Autor gewann die Online-Abstimmung um den Preis, für den neun weitere Nachwuchsautor*innen aus Hessen und Thüringen nominiert waren.

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Joshua Schößler

In seinem Text erzählt Schößler die Geschichte eines orientierungslosen Kiffers, der zwischen Wahrheit und Lüge durch die in der Freistadt Christiania taumelt. Betrug kann auf der Website zum Wettbewerb nachgehört werden. Ebenso wie die Texte der anderen nominierten Autor*innen, darunter auch Russischer Tango von Lennardt Loß, Gastautor bei der In guter Nachbarschaft SUMMER EDITION im letzten Jahr.

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Lennardt Loß bei seiner Lesung zur Summer Edition im Juli 2016(Foto: Julia Hauck)

Der hr2-Literaturpreis ist ein Publikumspreis, der jährlich vergeben wird. Die Liste der Nominierten ergibt sich aus den Hauptpreisgewinner*innen des ebenfalls jährlich stattfindenden Literaturwettbewerbes des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen.

Wir freuen uns mit Lennardt Loß und Joshua Schößler und gratulieren herzlich zu diesen Erfolgen!

Joshua Schößler bloggt auf skklnt.