IN GUTER NACHBARSCHAFT #28 mit Sophia Fritz, u.a.

Am 28. Oktober ist die Lesereihe IN GUTER NACHBARSCHAFT zu Gast in der ACC Galerie in Weimar.

Diesmal mit Sophia Fritz, die aus ihrem Debütroman „Steine schmeißen“ (Kanon Verlag) liest.

Am letzten Tag des Jahres wollen Anna und ihre Freunde das alte Jahr loswerden. Niemand hat mehr gute Vorsätze, aber alle haben ein schlechtes Gewissen. Im Fernseher brennt der Netflix-Kamin, die Herzen schmelzen wie Blei. Sophia Fritz hat einen Roman über bittere Lust und neue Berührungen geschrieben (Kanon Verlag, 9/2021). Die 24-jährige Studentin schreibt eigentlich Drehbücher, ist Autorin für «Die Zeit», arbeitete als Sterbebegleiterin im Hospiz und sammelte manch andere Lebenserfahrung aus erster Hand. Ihr Debüt-Roman ist entgegen dem, was der Titel vermuten lässt, jedoch kein politisches Plädoyer, sondern beschreibt laut und humorvoll das Ringen einer Generation zwischen Rebellion und Achtsamkeit. Der Roman handelt von dem Versuch einer Gruppe junger Erwachsener ihren Schuldgefühlen am Silvesterabend einen Schlussstrich zu setzen.

Außerdem mit dabei sind Franziska Bergholtz, diesjährige Preisträgerin beim Jungen Literaturforum Hessen-Thüringen, und Lisa Memmeler, diesjährige Finalistin beim open mike Wettbewerb für junge Literatur.

Musikalisch begleitet wird der Abend vom Bassisten Marcel Siegel.

Donnerstag, 28. Oktober 2021, 20 Uhr, ACC Galerie

Eintritt: 5 Euro | ermäßigt: 3 Euro | Tafelpass: 1 Euro

Bitte beachtet, dass für die Veranstaltung die 3G-Regeln gelten und die Besucher:innenanzahl beschränkt ist.

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Sophia Fritz, geboren 1997 in Tübingen, studierte an der Filmhochschule in München,
Abteilung Drehbuch. Sie ist Stipendiatin der Friedrich-Ebert Stiftung. Ihr Roman „Steine schmeißen“ erschien im September 2021 im Kanon-Verlag. Von September bis November 2021 hospitiert sie in der Feuilleton Redaktion der FAZ.

Lisa Memmeler, 1993 in Düsseldorf geboren, lebt in Jena. Hat Philosophie in Marburg, Jena, Mailand und Rom studiert. War Praktikantin am Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik in Frankfurt a.M. und im Marburger Kunstverein. Derzeit schließt sie ihr Studium der Psychologie in Marburg ab. 2021 ist sie Finalistin des open mike Wettbewerbs in Berlin in der Kategorie Lyrik. 

Franziska Bergholtz, geboren 1997 in München, studiert Literaturwissenschaften in Erfurt. 2019 erschien ihr Lyrikdebüt „Kolumbianischer Winter“ im Topalian und Milani Verlag. Sie war Teilnehmerin der Textwerkstatt Poesie und Praxis 2019 in Jena. Zudem 1. Preisträgerin beim Jungen Literaturforum Hessen-Thüringen 2021.

Marcel Siegel ist 1986 in Potsdam geboren und zur Schule gegangen.  2008  Musikstudium im Fach Jazz-Kontrabass mit Nebenfach E-Bass in Weimar, welches er 2014 mit Diplom abschloss. Derzeit ist er freischaffend in Berlin und Thüringen in unterschiedlichen zumeist kleinen Besetzungen oder als Solist tätig.

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Die unabhängige Lesereihe IN GUTER NACHBARSCHAFT gehört zum festen Bestandteil der Thüringer Literaturszene. Sie vereint seit 2014 neue Lyrik und Prosa mit aktueller Musik. Über zahlreiche selbst organisierte Veranstaltungen hinaus wird die Lesereihe von Kulturveranstaltern im gesamten Freistaat als zuverlässiger Partner für anspruchsvolle und unterhaltsame Literatur geschätzt.

IN GUTER NACHBARSCHAFT ist ein Projekt der Literarische Gesellschaft Thüringen e.V. und wird gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaats Thüringen und das Junge Literaturforum Hessen-Thüringen.

Außerdem sind wir Teil der Initiative Unabhängige Lesereihen.

Rückschau: IN GUTER NACHBARSCHAFT #21

Für die 21. Ausgabe von IN GUTER NACHBARSCHAFT kehrten wir am 17. Mai in die ACC Galerie nach Weimar zurück. Die Leipziger Autorin Deniz Ohde stellte im Gespräch mit Moderator Gorch Maltzen ihr Romanprojekt „Silberfarm“ vor und las anschließend aus dem noch unveröffentlichten Manuskript.

Zuvor las die Weimarerin Sina Stolp aus ihrer Sammlung von Prosaminiaturen. Kathleen Kröger teilte mit Text und Bildprojektionen ihre Beobachtungen aus der Erfurter Graffiti-Landschaft.

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Gerahmt und begleitet wurde der Abend mit den Songs und Musikperformances des Weimarer Medienkünstlers Tommy Neuwirth, der mit vollem Körpereinsatz und spektakulärer Lichtshow für bleibenden Eindruck sorgte.

Wir bedanken uns bei allen beteiligten Künstler*innen, Förder*innen und Freund*innen, die den Abend ermöglicht haben! (Alle Fotos: Anne Osterland)

„Also eigentlich will ich David Bowie oder Madonna sein. Aber das scheitert an mir. Und das Scheitern zeige ich dann.“

Am Freitag, den 17. Mai kehrt unsere Lesereihe nach Weimar zurück. In der ACC Galerie lesen Deniz Ohde, Sina Stolp und Kathleen Kröger aus ihren Texten. Wie immer wird die Veranstaltung von ausgesuchter Musik begleitet und gerahmt. Diesmal haben wir den Weimarer Musiker, Performance- und Medienkünstler Tommy Neuwirth dabei, den wir hier im Kurzinterview vorstellen. http://tommyneuwirth.de/

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Tommy Neuwirth (Foto: Duygu Atçeken)

Lieber Tommy, du arbeitest an den Schnittstellen von Medienkunst, Performance und Musik. Wie greifen diese Bereiche innerhalb deiner Arbeit zusammen?

Ich komme von der Musik. Das ist sozusagen das Element, das mich antreibt. Das Performative hat sich eher so mit der Zeit eingeschlichen. Wenn es darum geht seine Musik auf einer Bühne zu präsentieren, dann kommt man im besten Fall dahin sich zu fragen, was das heißt auf einer Bühne zu stehen. Und wenn man dann ein paar Mal auf eine Bühne gestanden hat, hat das wiederum Einfluss auf die zukünftige Musik. Viele Lieder lassen sich fast gar nicht mehr von der Performance trennen, was es wieder schwerer macht die Lieder allein auf einen Tonträger zu übertragen. Ja, und ich lasse mich auch gern von Sachen – anderer Musiker z.B. – die ich sehr mag beeinflussen bzw. tatsächlich auch ermutigen.

Du bist für unsere Veranstaltung mit deinem bürgerlichen Namen angekündigt, tritts aber auch unter dem Namen „Das weltweite Netzwerk für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ auf. Kannst du einen kurzen Überblick über deine verschiedenen Projekte und Auftrittsweisen geben?

Das fliest ja alles ineinander über. Auftreten tue ich seit 2007. Damals noch zu zweit unter dem Namen THE!. Das war experimentelle elektronische Tanzmusik mit viel Pop-Appeal. Im Studium an der Bauhaus-Uni hatte es sich allhalbjährlich so ergeben, dass wir – ein loser und wechselnder Haufen an Musikbegeisterten – im Rahmen der Bauhaus FM 48 Stunden Sendung längere bis stundenlange Musikimprovisationen veranstaltet haben. Irgendwann saß ich dann nachts allein im Radiostudio und habe 4 Stunden Musik improvisiert. Das hieß dann irgendwann »The Art of Boredom«. Ja, und Langeweile lässt sich heutzutage eigentlich nur mit einem Grundeinkommen realisieren.
Schließlich trete ich seit 2013 unter den Namen »DwNfebG« auf – im Blaumann auf einem Bierkasten stehend, mit Songs, keine Improvisationen. Ich bin nämlich ein Pop-Musiker. Also eigentlich will ich David Bowie oder Madonna sein. Aber das scheitert an mir. Und das Scheitern zeige ich dann. So in etwa.

Tja, und was der Unterschied zwischen Tommy Neuwirth und »DwNfebG« ist? – Vielen Veranstaltern ist der Name zu kryptisch. Oder manchmal ist er einfach viel zu lang für einen Flyer. Haha. Und ich bin dann einfach zu freundlich und sage: Ja dann nehmt halt Tommy Neuwirth.

Das Format im Jenaer Kunsthof war ein Versuch Improvisation zu wagen. Ich werde das jetzt wahrscheinlich auch mehr in meine Konzerte einbauen. Und ich fand das wortlose Improvisieren passender für eine Lesung. Meine vorbereiteten Songs und ihr performativer Charakter sind teilweise zu knallig oder zu plakativ.

Das „weltweite Netzwerk für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ ist für dich sicher mehr als nur ein Name, sondern auch ein tatsächliches Anliegen, oder?

Michael Bohmeyer von »Mein Grundeinkommen« sah mich im Dezember auf dem CCC in Leipzig und schrieb mich kurz danach an, ob ich nicht Lust habe, mal im Rahmen von »Mein Grundeinkommen« aufzutreten. Das fand ich sehr lustig. Ich bewundere den Aktionismus (weis gerade nicht, ob das das richtige Wort ist) von solchen Projekten – von utopischen oder politischen Projekten im Allgemeinen. Aber ich habe mir den Namen eher einfach so angeeignet, einfach weil es möglich ist. Das ist, glaube ich, noch so ein Rest postmoderner Quatsch, aber es kommt auch der Art, wie ich Musik mache sehr nah – also viel Sampling, Bezüge und Preset-Klänge. Nichtsdestotrotz finde ich ein Grundeinkommen eine utopische (im positiven Sinne) und streitbare (im positiven Sinne) Idee.

Bei deinen Musikperformances im Jenaer Kunstverein im März konnte man schnell den Eindruck bekommen, dass DADA-Elemente eine Rolle in deiner Kunst spielen. Ist der Eindruck völlig falsch? Welche Einflüsse prägten oder prägen dich bei der Erarbeitung deiner Stücke?

Ich hatte am 3. Mai einen Auftritt im Retronom in Erfurt zur tollen Ausstellung von Christoph Blankenhain. Danach saß ich mit zwei Bekannten zusammen und es stand die Frage im Raum, ob es Helge Schneider Einflüsse gibt, oder nicht und ob man sich dem Einfluss von Helge Schneider überhaupt verwehren kann und wenn ja ob das überhaupt schlimm ist, weil dieser tolle Künstler einfach, was das Clowneske angeht so viele Sachen vorgelegt hat.

Ich glaube, ich nutze die Bühne, um für mich die Möglichkeit des Scheiterns zu üben, weil mir das im Alltag sehr schwer fällt. Und Scheitern auf der Bühne hat dann sowas Clownhaftes und das kann man ja auch verstärken und übertreiben. Dann kann es schon sehr DADA werden. Es ist aber eher so, dass mich Sachen – wie oben schon mal angedeutet – die ich sehr mag, zu Handlungen ermutigen. Zum Beispiel zu sagen, dass ich mich auf einen Bierkasten stelle und wie ein Alleinunterhalter meine Lieder singe, dass ist der Einfluss von John Maus – ein amerikanischer Popmusiker, der bei Auftritten über die Vollplaypack!!!-Versionen seiner Songs einfach nochmal drüber singt und teilweise schreit. Aber es ist so, dass er mir gezeigt hat, dass man auch ohne Instrument seine Lieder performen kann, dass da ganz viel über den Körper geht. Also ich brauche hin und wieder kleine oder große Anstupser und ich suche dann mit diesen Anstupsern oder unabhängig davon meinen eigenen Ausdruck.

Du stehst ja auch öfter im Zusammenhang mit Literaturveranstaltungen auf der Bühne. Wie ist denn dein Verhältnis zur Literatur, gerade auch in Wechselwirkung mit deiner Kunst? Welche Rolle spielt bspw. Text für dich?

Tolle Frage! Ich tue mich schwer mit Text. Ich möchte hier, glaube ich, gar nicht ausführen, warum das so ist. Das hat auf jeden Fall viel mit Vorsicht zu tun. Viele meiner Texte sind ja oft nur ein Satz, den ich dann wiederhole. Oder wo im Laufe des Song nur ein weiteres Wort hinzukommt, damit die Aussage kippt oder eine Wendung entsteht (»Halte mich, halte mich, … halte mich aus«). Wo ich herkomme, wurde nicht bis sehr wenig gelesen. Und heute lese ich auch eher z.B. soziologische Texte. Und die dann aber auch eher in der naiven Hoffnung, dass sie mir Lebensratgeber sind. Hahahaha. Literatur und Poesie kommen mir aber immer näher und näher. Es ist ja auch so, dass ich hin und wieder kleinere Sachen schreibe. Durch mein Studium ist sogar das kleine Büchlein »Everything Is Alright« entstanden.

Was für Texte sind darin erschienen?

Das Buch versammelt Beobachtungen, die ich in einem herstellenden Betrieb, in dem hohe Reinheitsvorschriften herrschen, sammeln konnte. Da geht es viele um Langeweile und Absurdität. Letzteres habe ich dann in den Texten manchmal noch sehr überspitzt. Die Texte oszillieren zwischen beobachtend, phantastisch und poetisch.

Das werde ich auf jeden Fall lesen. Vielen Dank für deine Antworten!

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IN GUTER NACHBARSCHAFT #21

Lesung, Gespräch, Musik mit Deniz Ohde, Sina Stolp, Kathleen Kröger und Tommy Neuwirth

17. Mai 2019 – 19:30 Uhr

ACC Galerie Weimar (Burgplatz 1-2, 99423 Weimar)

Eintritt: 5,-€ / ermäßigt 3,-€ (nur Abendkasse)

„Auch Zeitungsbeiträge können Spannungskurven haben, einen Handlungsrahmen und eine Pointe.“

Am 17. Mai findet die 21. Ausgabe von IN GUTER NACHBARSCHAFT in Weimar statt. Neben Deniz Ohde und Sina Stolp wird dann auch Kathleen Kröger aus ihren Texten vorlesen. Wir stellen die Erfurter Autorin und Zeitungsredakteurin in einem Kurzinterview vor.

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Kathleen Kröger (Foto: Sippel)

Liebe Kathleen, du bist Redakteurin für das Magazin hEFt für literatur, stadt und alltag in Erfurt. Wie würdest du die Arbeit in eurem Magazin beschreiben?

Wir arbeiten als Redaktion immer im Team und treffen die Entscheidungen rund um die Inhalte des hEFts in der Gemeinschaft. Das Schöne daran ist, dass jeder seine Themengebiete einbringen kann, und wir darauf hin arbeiten, dass auch in der bunten Mischung von Kulturpolitik, Gesellschaft und auch Sport eine gewisse Linie fortgesetzt wird, in der es um Soziokultur geht. Dabei schneiden wir politisch-relevante Themen an, die vor allem Erfurt und die hiesige Kulturpolitik Thüringens betreffen. Aber auch satirische Elemente finden sich immer wieder. Die Mischung macht’s. Hinzu kommt die Arbeit am Literaturteil, der uns auch von anderen Magazinen unterscheidet. Hier redigieren wir die Texte, wählen aus, was oft nicht sehr leicht ist.

Neben deinen Texten für das hEFt, schreibst du für die Thüringer Allgemeine und die Mitteldeutsche Zeitung. Wie findest du deine Themen?

Die Themen für die Texte greife ich immer aus meinem Alltag, indem ich mich über mein eigenes Scheitern lustig mache. Sei es, dass bei mir keine Grünpflanze überlebt, ich Aggressionen habe, wenn mir die Jacke dauernd vom Garderobenhaken fällt oder dass mich Feiertage komplett aus meinem Wochenrhythmus werfen. Die Themen für die Artikel begegnen mir in letzter Zeit tatsächlich eher zufällig. Als freie Mitarbeiterin bin ich ja weniger im Tagesgeschäft der Zeitung involviert, sondern stoße eher spontan auf Menschen, die Außergewöhnliches tun oder Kunstausstellungen, die bisher (vielleicht zu wenig) Aufmerksamkeit bekommen haben. Da sind auch die Kontakte zu den Kommilitonen sehr wichtig, die in den jeweiligen Szenen sehr gut vernetzt sind.

Siehst du dein Schreiben eher als journalistisch oder literarisch an?

Das ist eine schwierige Frage. Im Nachrichtengeschehen muss der Stil natürlich zwingend neutral sein. In anderen Beiträgen ist da schon mehr Spielraum. Da würde ich den Begriff „journalistisch“ nicht losgelöst vom Literarischen sehen. Auch Zeitungsbeiträge, die ja im Grunde genommen, Gebrauchstexte sind, können Spannungskurven haben, einen Handlungsrahmen und eine Pointe. Nur wie stark diese Seite herausgekehrt wird, ist entscheidend. Nicht umsonst gibt es die Gattung „literarischer Journalismus“, auch wenn diese scheinbar seltener öffentlich präsentiert wird.

Würdest du deine Texte als Essays bezeichnen?

Die Texte für das hEFt haben auf jeden Fall essayistische Züge. Hier kommt es für mich ganz individuell darauf an, ein Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten, etwas zur Diskussion zu stellen, ein oder verschiedene Meinungsbilder thesenartig abzugeben.

Hast du journalistische oder literarische Vorbilder oder solche die zwischen diesen Bereichen schreiben?

Das Wort Vorbild finde ich etwas hochgegriffen, aber ich schätze die Texte von Egon Erwin Kisch und Jan Neruda. Nicht nur wegen ihres Stils und ihrer Unterhaltsamkeit, sondern auch für den Spiegel der Zeit, den sie abgeben. In Literatur hänge ich dann eher an Horst Evers oder Wilhelm Genazino, die ihre Alltagsminiaturen so amüsant machen, dass ich beim Lesen zuerst laut loslache (auch mitten in der Straßenbahn) und mir danach sage, dass alles, was ich selbst schreiben würde, niemals diese Qualität erreichen wird. Also würde ich bei beiden letzteren schon eher von Vorbildern sprechen.

Alltagsminiaturen wäre ein sehr guter Begriff um deine Texte zu beschreiben. Könntest du einen kurzen Einblick gewähren in die zukünftigen Veranstaltungen des Kulturhauses Dacheröden für das du in der Pressearbeit tätig bist?

Da wird sich in den nächsten Wochen noch Einiges tun. Die Frühlingslese bringt verschiedene Lesungen mit sich. In dieser Woche startet die Veranstaltungsreihe „Film im Salon“, in der Literaturverfilmungen gezeigt werden, ganz aktuell hat Rudolf Escher eine Ausstellung seiner Druckgraphiken bei uns im Haus und Ende Mai freuen wir uns auf den Autoren Anselm Oelze. Veranstaltungen wie die Frechen Fragen an Chefärzte, in Zusammenarbeit mit der Zentralklinik Bad Berka und die Philosophischen und Politischen Salons warten mit interessanten Themen auf viele Besucher und Gäste.

In diesem Sinne: Hoffen wir, dass die nächste Ausgabe In guter Nachbarschaft am kommenden Freitag ebenso interessant wird. Vielen Dank für deine Antworten!

Ich bin schon gespannt und ein bisschen aufgeregt.

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IN GUTER NACHBARSCHAFT #21

Lesung, Gespräch, Musik mit Deniz Ohde, Sina Stolp, Kathleen Kröger und Tommy Neuwirth

17. Mai 2019 – 19:30 Uhr

ACC Galerie Weimar (Burgplatz 1-2, 99423 Weimar)

Eintritt: 5,-€ / ermäßigt 3,-€ (nur Abendkasse)

17. Mai – Weimar – IN GUTER NACHBARSCHAFT #21

Am 17. Mai kehren wir mit unserer Lesereihe zurück nach Weimar, bringen junge Autorinnen zusammen und lassen ihre Texte von innovativen Vocalperformances musikalisch begleiten.

Die Leipziger Autorin Deniz Ohde liest aus neuen Texten. In ihrem Werk seziert sie präzise strukturelle Ungleichheiten und biografische Brüche in einer sensiblen wie eindringlichen Sprache, die eine neue starke Stimme in der literarischen Welt ankündigt. Deniz Ohde war Finalistin des 24. open mike in Berlin, Stipendiatin des 21. Klagenfurter Literaturkurses und auf der Shortlist des Wortmeldungen Literaturpreises 2019 für kritische Kurztexte.

Zudem lesen aus ihren noch unveröffentlichten Texten Kathleen Kröger (Erfurt) und Sina Stolp (Weimar).

Musikalisch wird dieser Abend gerahmt vom Weimarer Musiker und Medienkünstler Tommy Neuwirth, der seit 2013 performative Konzerte unter dem Namen «Das weltweite Netzwerk für ein bedingungsloses Grundeinkommen» gibt.

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17. Mai 2019 – 19:30 Uhr

ACC Galerie Weimar (Burgplatz 1-2, 99423 Weimar)

Eintritt: 5,-€ / ermäßigt 3,-€ (nur Abendkasse)

 

Deniz Ohde, geboren 1988 in Frankfurt am Main, lebt in Leipzig, wo sie 2018 das Studium der Germanistik abschloss. 2016 war sie Finalistin des 24. open mike, des 10. poet bewegt Literaturwettbewerbs und 2017 Stipendiatin des 21. Klagenfurter Literaturkurses. 2019 stand sie auf der shortlist für den Wortmeldungen-Förderpreis. https://denizohde.wordpress.com/

Tommy Neuwirth machte eine Lehre zum Veranstaltungstechniker am Theaterhaus Jena, 2004 — 2008. Er studierte Mediengestaltung/-kunst an der Bauhaus-Universität Weimar, BA 2008–2013. Seit WS 2016 MFA Medienkunst an der Bauhaus-Universität Weimar. Seit 2013 performative Konzerte unter dem Namen «Das weltweite Netzwerk für ein bedingungsloses Grundeinkommen», u.a. Fusion Festival; Nachtdigital Festival; Roter Salon, Volksbühne Berlin. Performances, u.a. «Charakterarbeit» beim ARENA… of the young Arts Festival Erlangen; «Verarbeite, was dich verarbeitet 2» bei den 18. Thüringer Literaturtagen, Kaiserwerke Gera und beim Zeitzeug Festival Bochum (Frei- fahrt-Preis); «Verarbeite, was dich verarbeitet 1» beim 100Grad Festival Berlin. http://tommyneuwirth.de/

Kathleen Kröger, geboren 1995 in Halle/Saale, Studium der Neueren deutschen Literaturwissenschaft und Geschichtswissenschaft an der Universität Erfurt. Seit mehreren Jahren Freie Mitarbeiterin für die Thüringer Allgemeine und Mitteldeutsche Zeitung, seit 2019 Pressemitarbeiterin im Kultur:Haus Dacheröden und Redakteurin für das Kultur- und Literaturmagazin hEFt für literatur, stadt und alltag in Erfurt.

Sina Stolp studiert Medienkunst in Weimar und hat bereits zahlreiche Preise gewonnen. So z.B. den Malwettbewerb am Schloss Rauischholzhausen, sowie den Vorlesewettbewerb der Sechstklässler an der Elisabethschule in Marburg.

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Die unabhängige Lesereihe IN GUTER NACHBARSCHAFT gehört zum festen Bestandteil der Thüringer Literaturszene. Sie vereint seit 2014 neue Lyrik und Prosa mit aktueller Musik. Über zahlreiche selbst organisierte Veranstaltungen hinaus wird die Lesereihe von Kulturveranstaltern im gesamten Freistaat als zuverlässiger Partner für anspruchsvolle und unterhaltsame Literatur geschätzt.

IN GUTER NACHBARSCHAFT ist ein Projekt der Literarische Gesellschaft Thüringen e.V. und wird gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaats Thüringen.

Außerdem sind wir Teil der Initiative Unabhängige Lesereihen.

Kultur machen. Gemeinsam. – Ein Gespräch zwischen den Macher*innen von hEFt Erfurt, Literaturfestival Erfurt und In guter Nachbarschaft

Am 18.2. findet im Erfurter Club Frau Korte die Veranstaltung „watch us grow.“ statt. Dafür haben sich u.a. vier Kulturinitiativen aus Erfurt bzw. Thüringen zusammengeschlossen. In einem gemeinsamen Chat haben sich die Organisator*innen von In guter Nachbarschaft mit Alexander Platz und Thomas Putz vom hEFt Erfurt, sowie Max Walther vom Literaturfestival Erfurt über die Förderung der freien Kulturszene in Thüringen unterhalten.

Peter Neumann: 2016 war ja miserables Jahr für die Kulturförderung in Erfurt: verspäteter Haushaltbeschluss, umfangreiche Kürzungen, gerade im Bereich der Freien Szene. Der „kulturelle Notstand“ wurde verkündet. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass die Freie Szene immer lebendiger wird, vielfältiger, vernetzter, und auch zunehmend überregional wahrgenommen wird. Letztes Jahr haben sehr viel schöne Dinge stattgefunden: Ich erinnere mich an das Festival der Unlesbarkeit, eine Kooperation von Textil-Festival und Literaturfestival Erfurt, in Jena die „Summer Edition“ von In guter Nachbarschaft. Und jetzt der Zusammenschluss zu „watch us grow“. Mal so in die Runde gefragt: Wie nehmt ihr die aktuelle Situation wahr?

Thomas Putz: Ja, man kann sagen, dass die Öffentlichkeit durch die ganzen Kürzungsversuche seitens der Stadt Erfurt nun vielleicht etwas mehr sensibilisiert ist. Andererseits gab es früher auch schon gute Sachen. Eben nicht mit soviel Tammtamm, eher undergroundig.

P. Neumann: Mit überregional meine ich: über Thüringen hinausgehend. Zumindest In guter Nachbarschaft wird gerade auch von anderen Projekten, Lesereihen und Zeitschriften angesprochen. Babelsprech, mosaik, solche Dinge.

A. Platz: Das ist aus meiner Sicht aber eher die Ausnahme. Die Vernetzung innerhalb Thüringens ist aber deutlich besser geworden. Oder man könnte auch sagen, dass wir uns kennengelernt haben. Weimar und Jena waren ja früher auch gut vernetzt.

P. Neumann: Thomas, was meintest Du eigentlich mit undergroundig? Früher eher so parzelliert, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle?

Th. Putz: Naja, ohne Facebook etc. lief das eben anders, man traf sich in der Kneipe und hat gesponnen. Was heute über Facebook möglich ist, auch an Öffentlichkeitsarbeit, war ja noch vor Jahren nicht möglich.

hEFt für literatur, stadt und alltag

Mario Osterland: Mich würde interessieren, wie Max das sieht. Ihr hab ja sozusagen als „Erfurt-Neulinge“ gleich ein Festival an den Start gebracht.

Max Walther: Nun ja, Neulinge würde ich zwar nicht sagen, da wir knapp zwei Jahre vorher begonnen haben Veranstaltungen zu machen. Aber die Bereitschaft uns zu fördern, nachdem wir die Kooperation mit dem Textil-Festival starteten, war schon recht erfreulich.

M. Osterland: Da sind wir ja gleich bei der Frage nach den Kooperationen. Sie scheinen schon relativ unabdingbar zu sein, um in Strukturen von Förderung und Wahrnehmung hinein zu kommen.

M. Walther: Kooperationen sind meines Erachtens wichtig für die interne Förderstruktur, für das Regionale. Und freundschaftliche Beziehungen und ein Austausch vor allem für überregionale Projekte, wie bereits angesprochen Babelsprech, mosaik etc.

M. Osterland: Im Vergleich zum undergroundigen „Früher“ hat man ja heute schon mal mit dem hEFt sozusagen eine Institution als Anlaufstelle. Die kann man aufsuchen und fragen: Wie läuft das so mit der Kultur in Erfurt? So hätte ich es zumindest gemacht, wenn ich ein Literaturfestival Erfurt hätte organisieren wollen. Daher meine Frage nach den ersten Schritten in der Stadt.

M. Walther: Ich würde sagen: klar orientiert man sich, wenn man eine Idee hat. Man schaut sich an, was und wen es gibt und positioniert sich dementsprechend mit den eigenen Entwürfen etc. Dann ist die Menge an Leuten, die Ähnliches machen doch recht überschaubar und man läuft sich automatisch über den Weg, bzw. kommt zusammen.

A. Platz: So war es zumindest zwischen Textil und dem Literaturfestival Erfurt.

Th. Putz: Andererseits ist es auch wichtig, dass die Jüngeren (und die finden sich schon) ihr eigenes Ding machen. Da ist das hEFt mit seinen alten Säcken vielleicht Orientierungspunkt, aber ob man da zwangsläufig eng kooperieren muss. Ich bin gegen ein Kooperierungsgebot!

M. Walther: Ganz richtig!

Kein automatischer Alternativtext verfügbar.Julia Hauck: Das sehe ich auch so. Man sollte sich jedenfalls nicht in Konkurrenz sehen, sondern sein/ihr Ding machen und nur wenn es passt, gern auch mal zusammen.

A. Platz: Bei uns war es Liebesheirat, nicht wahr, Max?

M. Walther: Mmmhhh.

P. Neumann: Das wäre auch so eine Frage, die ich habe: Wo seht ihr eigentlich die Potenziale einer jungen, unabhängigen Literaturszene im Freistaat? Denn so schlecht ist Thüringen nun wirklich nicht aufgestellt. Oder anders gefragt: Was machen wir anders? In welche Lücke springen wir, wenn wir springen?

M. Osterland: Die Lücke, die es zu füllen gilt, ist immer das Vorhandene, das noch nicht wahrgenommen wird, aber Wahrnehmung verdient, sichtbar zu machen.

M. Walther: Quotable phrases – chapeau, Mario. Meines Erachtens gibt es mehr als genug Lücken. Vielleicht aber nicht genügend Möglichkeiten (auch finanziell) diese zu füllen. Und das ist vielleicht auch tatsächlich ein Verteilungsproblem – Zur Unabhängigkeit: Da sehe ich tatsächlich das Problem in Initiativen die Zusammenarbeit versuchen zu institutionalisieren und mehr oder minder tatsächlich zu „erZWINGEN“. Und der Zwang zur Institutionalisierung hängt ja wiedrum eng mit den Finanzierungsproblemen zusammen.

M. Osterland: Was heißt schon Unabhängigkeit, wenn man an Fördertöpfen hängt? Das ist ein nicht aufzulösender Widerspruch.

J. Hauck: Ohne die Literarische Gesellschaft im background hätten wir es als Lesereihe auch schwer, zugegebenermaßen.

Th. Putz: Zu den Potentialen, die Peter angesprochen hat: Raum schaffen für Literatur, den Schreibenden Möglichkeiten geben, besser zu werden, sich auszutauschen, auf die Bühne zu gehen. Und das ohne „kommerziellen Druck“.

J. Hauck: Ja, Räume sind ein Thema. Das ist nicht immer einfach in den Städten, für viele Projekte jeglicher Künste. Da geht es schon los mit der Kreativität. Aber ist es nicht schon so, dass wir den Spagat Finanzen und Ideen durch Leidenschaft überbrücken?

M. Osterland: Julia, ich würde sagen Selbstausbeutung ist der Kitt, der die Kulturarbeit zusammenhält.

J. Hauck: Ich weiß. Machen muss man es ja trotzdem, auch bis zu einem kleinen Grad an Selbstausbeutung. Weil es cool und wunderbar ist. Dieser ganze Literaturkram.

A. Platz: Den Begriff der Selbstausbeutung finde ich aber problematisch. Wir erbringen im Grunde genommen ja eine Dienstleistung für die Gesellschaft. Für sehr wenig Geld.

M. Osterland: Aber es sollte doch idealerweise ein Geben und Nehmen sein. Wir erbringen der Gesellschaft eine Dienstleistung, die uns die Gesellschaft qua Steuergeld ermöglicht.

A. Platz: Ja, kulturelle Grundversorgung und Kulturförderung sind gesellschaftliche Aufgaben.

P. Neumann: Zu all dem vielleicht mal ein konkretes Beispiel: Wir als In guter Nachbarschaft planen eine Veranstaltung im Rahmen der Langen Nacht der Museen in Jena. Auch so eine Institutionalisierung. Hier ist allerdings das große Problem, dass wir zwar Aufmerksamkeit bekommen werden, aber keinen Cent von der Stadt. Die Einnahmen verbleiben bei ihnen. Sowas darf tatsächlich nicht sein.

M. Walther: Da wird man tatsächlich auf den einsamen Hügel des Idealismus getrieben …

A. Platz: Das wäre eben etwas, das zwischen den Beteiligten auszuhandeln wäre.

Th. Putz: Naja, für die Museumsnacht werden in Weimar sicher auch Honorare gezahlt – nur eben für die, dies ohne nicht machen.

P. Neumann: In diesem Falle, in Jena, tragen wir, also In guter Nachbarschaft die Honorare.

A. Platz: Muss man eigentlich ablehnen sowas.

P. Neumann: „Eigentlich“. Genau um dieses Wort geht’s.

J. Hauck: Zur Info: Da machen auch fast nur städtische oder universitäre Einrichtungen mit, wenige kleine Vereine. Ist auch das erste Jahr ohne Entschädigung.

A. Platz: Schon frech. Haben sie euch angefragt?

P. Neumann: Wir wollten eine Kooperation mit dem Jenaer Kunstverein machen. Die Gelegenheit schien uns gut.

A. Platz: Läuft dann wahrscheinlich unter bürgerschaftlichem Engagement …

P. Neumann: Ehrenamt, Du sagst es.

A. Platz: Das gibt’s ja auch noch. Habt ihr versucht, zu verhandeln oder war das von Anfang an die Ansage?

J. Hauck: Ich will ja nicht h8ten, aber die Honorare bezahlt da halt das Land. Die Stadt fördert halt ein Klitzkleinwenig. Normalerweise über den Fonds Soziokultur in Jena. Die Lange Nacht der Mussen ist da selbst Opfer der städtischen Finanzierung und zahlt mit den Einnahmen die Werbekosten. Was jetzt INSGESAMT die städtische Kulturförderung jetzt nicht sooo toll aussehen lässt.

A. Platz: Das wäre auch noch so ein Komplex. Die finanzielle Lage der Kommunen.

Th. Putz: Die jungen Städte wollen auch ihre junge freie Szene haben. Inzwischen haben es nämlich auch die Verwaltungen begriffen. Nur bezahlen will das keiner.

J. Hauck: Die Nacht der Museen geht weniger über Ehrenamt, denn über die Hauptamtlichen in den Museen. Der Jenaer Kunstverein ist da schon Ausnahme und wir Ausnahme obendrauf. Aber sie hätten uns schon „einkaufen“ können als Event, klar. Aber da fehlt dann der Wille. In Weimar ist der Kulturetat auch nicht Bombe, oder?

Th. Putz: Aber für’s Kunstfest ist immer noch ein Säckchen da …

P. Neumann: Umso gerührter waren, dass uns das die ACC Galerie im Januar eingeladen hat.

Th. Putz: Gute Leute dort in der ACC.

A. Platz: Tolle Ausstellungen!

J. Hauck: Weimar ist aber auch krass, was Etabliertes/Klassisches vs. Unabhängiges/Freies angeht, oder?

P. Neumann: Ich glaube, es geht nicht darum Etabliert gegen Unabhängig auszuspielen.

J. Hauck: Nein, aber für die Kleinen ist es doch schon erstmal schwieriger oder? Von den Geldern her, meine ich.

Th. Putz: Nein, aber es geht darum, dass es immer einen Weg gibt – wenn man es will. Siehe Theaterverhandlungen letztes Jahr.

P. Neumann: Jep. Und was oft übersehen wird: So viel Geld braucht die Freie Szene gar nicht. Also: ich meine, man kann schon mit relativ wenig Geld ziemlich geile Veranstaltung machen. Der Schaden, den man anrichtet, wenn man die Freie Szene nicht fördert, ist dagegen umso größer.

M. Osterland: Guter Punkt von Thomas und Peter. Man braucht im Grunde nur Willen und wenig Geld. Merkwürdig, dass das oft so schwer kommunizierbar ist.

J. Hauck: Darf man auch echt nicht vergessen, dass es im kleinen Thüringen ja mit euch und anderen wirklich einiges an „geilem Scheiß“ gibt.

Th. Putz: Aber das geht ja alles nur, solange man studiert oder einen Job hat, der einen nicht umbringt. Irgendwann braucht man Kohle zum Leben.

M. Osterland: Aber auch Zeit Kultur zu organisieren. Und das ist ein Konflikt. Soviel könnte einem die Kultur schon Wert sein, dass jede Initiative einen Hauptamtlichen beschäftigen kann. Das ist natürlich Wunschdenken.

P. Neumann: Story of In guter Nachbarschaft.

A. Platz: Unser aller Geschichte …

J. Hauck: Ach das wäre schön. Ein/e Hauptamtliche/r. Für alle einen.

M. Walther: Aber dann sind wir eben nicht bei „wenig Geld“ und viel Wollen. Ich glaube das ist schon auch eine falsche Parole – im Ansatz richtig, aber nicht durchgehend.

M. Osterland: Vielleicht nicht zwingend. Es muss ja nur für die Miete und den Kühlschrank reichen.

A. Platz: Na ja, da muss man auch schauen, ob das wirklich nötig ist. Das Ehrenamt ist ja nicht per se Teufelszeug, sondern nur dort, wo es eigentlich notwendige hauptamtliche Strukturen ersetzen muss.

M. Walther: Ja, klar. Sehe ich alles genauso. Keine Frage – und auch richtig, Alexander. Nur finde ich dann diese Parole etwas verfrüht. Und auch irreführend. So legt man nämlich der Struktur die passenden Worte in den Mund.

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P. Neumann: Ich glaube, die Frage ist: Welche Strukturen, welche Formen von Kultur/Literatur ermöglichen. Und ob da ein vorschnelles Einlenken sinnvoll ist. Sicherlich (wie vieles) situativ zu entscheiden.

A. Platz: Das muss man von Fall zu Fall entscheiden, deswegen finde ich es auch wichtig, nicht pauschal nach mehr Geld und Hauptamtlichkeit zu schreien.

J. Hauck: Na ja, ich sehe schon, dass Zeit Geld ist und Kultur braucht viel Zeit zum gedeihen und wachsen. Diese ganze Organisation. Wenn man da wenigstens ein paar Stunden die Woche nicht an seine Miete denken muss, finde ich die Forderung nicht von der Hand zu weisen. Klar kommt das auf die Initiative an. Aber sechs Veranstaltungen im Jahr könnte ich jetzt neben meinem Job nicht mehr stemmen.

Th. Putz: Man muss versuchen, trotzdem unabhängig zu bleiben (wenn man es will). Das hEFt hat sich vom Konzept her in den zwölf Jahren kaum verändert. Marktwirtschaftlich gesehen würden das nicht funktionieren. Aber wir haben bewusst keine Anzeigen geschaltet. Sonst hätten wir auf der Rückseite jetzt Bundeswehr-Werbung. Aber auch eine Auflage von 20.000 Stück (die braucht man nämlich dann, wenn man Geld verdienen will – und Werbung auch!).

P. Neumann: Wir. Dienen. Erfurt.

M. Walther: Ich dachte auch nicht an Kommerzialisierung. Keineswegs. Nur eben auch nicht daran, immer zu behaupten und besser: den Eindruck zu vermitteln, das Wichtigste seien unser Elan, unser Idealismus und unsere tollen Ideen.

A. Platz: Ja, das ist das neoliberale Dogma.

Th. Putz: Ja, Max, ich weiß – aber das ist manchmal der einzige Weg, wenn keine öffentliche Förderung geht und man es weitermachen will, vielleicht auch „beruflich“.

J. Hauck: Ich glaube, wir meinen alle den Mittelweg. ich fordere mehr Freiheit und mehr Geld gleichzeitig. Irgendwie.

M. Osterland: Ist vielleicht der Status quo am Ende der einzige Weg durch diese Gemengelage? Der Mittelweg, den wir im Grunde wollen?

M. Walther: Nun. Vielleicht nicht der Status quo. Wir brauchen einen Ausdruck, müssen genau das ausdrücken – finde ich. der Statuts quo ist schon auch irgendwie schweigen.

A. Platz: Man muss einerseits die Realitäten zu Kenntnis nehmen, also den Status quo, und damit umgehen. Anderseits ist es schon wichtig, immer wieder die Frage in den Raum zu stellen: Könnte es nicht auch anders sein? Noch besser wäre es, Handlungsoptionen zu entwickeln und zu handeln. Gemeinsam.

J. Hauck: Gibt es da schon Handlungsoptionen?

M. Osterland: Wo seht ihr JETZT konkreten Handlungsbedarf? Vielleicht auch erstmal in kleinen Schritten.

P. Neumann: Nicht schweigen. Leute anquatschen. Für die gute Sache eintreten. Werbung machen. Tammtamm. Kooperieren. Vereinzeln. Födern. Gefördert werden. Rausgehen. Wiederkommen. Feiern.

M. Osterland: Ok. Das machen wir im Grunde täglich.

P. Neumann: Ja, und ich glaube das „täglich“ ist wichtig.

M. Walther: Ich denke vor allem daran, auch Größeres – mit mehr Vorlauf – gemeinsam zu machen. Mit mehr Wucht schlicht und ergreifend. Wie Projekte ähnlich dem Haus am Busbahnhof (angedacht). Um eine Plattform zu haben, nach Außen zu kommunizieren.

J. Hauck: Ich bin für: Wucht!!!!!!1111!!

M. Osterland: Das heißt: Wir legen hier gerade einen Grundstein?

Th. Putz: Ich bin für Pflasterstein!

P. Neumann: Ein GROßER Pflasterstein.

M. Walther: Auch einfach um personelle Ressourcen so zu bündeln um dem neoliberalen Dogma entgegen wirken zu können… trotzdem zu lachen und vielleicht einen Kühlschrank zu füllen und eine Wohnung zu haben. Mehr oder minder (im Traumtanz).

P. Neumann: Das klingt nach einem Schlusswort. Schön war’s.

Rückschau: „vom wuchern“ mit Tim Holland und Moritz Schneidewendt

Am 19. Januar startete unsere Lesereihe mit einer Kooperation mit der ACC Galerie Weimar ins neue Jahr. Und was für ein Auftakt das war!

Im Rahmen der Ausstellung „Alle Achtung! – Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit“ haben wir den Berliner Dichter Tim Holland eingeladen, der vor allem aus seinem Werk vom wuchern/theorie des waldes  las.  Es handelt sich dabei um einen  Hybrid aus faltbarer Landkarte und experimenteller Lyrik. Ein Textgeflecht, das vom Leser Aufmerksamkeit fordert, aber auch ein ganz neues Leseerlebnis mit neuen Aufmerksamkeiten für Details generiert.

Inhaltlich beschreibt Holland das Ganze so: „Es geht um Fukushima, Berichterstattung und (mediale) Katastrophen, um Liebe, da geht es dann auch um asymptotische Annäherung, wo man crashen wollen würde, es geht um Territorialverhalten und um Imitation, um Bespitzelung, Singen, es geht um den Wald, um Wiese, das Meer, nicht um den Strand, aber das Ufer und das Wasser“.

Das Publikum in der gut besuchten ACC Galerie wurde mit dieser experimentellen Art der Lyrik jedoch nicht allein gelassen. Auf sehr sympathische Weise trug Holland seinen Text vor, gab Einblicke in den Entstehungsprozess und vermittelte so den Text an die Zuhörer*innen. Dabei gab er jedoch zu bedenken, dass seine Lesereihenfolge nur eine Möglichkeit ist den Text zu erschließen.

Der Klarinettist Moritz Schneidewendt fand indessen einen ganz eigenen Zugang zu Hollands Texten, erweiterte und reagierte auf sie, indem er an diesem Abend gleichberechtigt zur Lesung Kompositionen Neuer Musik vortrug. Gespielt wurden unter anderem Stücke von Jörg Widmann und Olivier Messiaen. Seine intensive Auseinandersetzung mit den Texten Hollands beeindruckte dabei nicht nur das Publikum, sondern auch den Autor selbst. So kam es an diesem Abend zu einem hochklassigen Dialog zweier Künste, der durch die zusätzlichen Bezugnahmen beider Künstler zur Ausstellung in den Räumen der ACC Galerie eine Einheit bildete.

Im Hinblick auf das geplante Jahresprogramm von In guter Nachbarschaft im Jahr 2017, war der Abend ein mehr als gelungener Auftakt. Im letzten Jahr begannen wir unserem Namen wörtlich zu nehmen und weiteten die Lesereihe von Jena auch auf die Nachbarstädte Weimar und Erfurt aus. In diesem Jahr wird die „Nachbarschaft der Künste“ im Mittelpunkt stehen. Das heißt, dass es unter anderem Kooperationen mit Kunstvereinen und Galerien geben wird. Und natürlich, dass andere Kunstformen während unserer Veranstaltungen gleichberechtigt zur Literatur zur Geltung kommen werden. Wie das im Einzelnen aussehen wird, verraten wir jeweils zu gegebener Zeit.

 

19.1. – Weimar – „vom wuchern“ – Lesung mit Tim Holland & Musik von Moritz Schneidewendt in der ACC Galerie

Das Nachbarschaftsjahr 2017 startet mit einer Lesung des Berliner Autors Tim Holland. Im Rahmen der Ausstellung ALLE ACHTUNG! – Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit liest er aus seinem Debut vom wuchern, einer zweitseitigen Faltkarte, die den Rahmen und die Formen herkömmlicher Gedichtbände sprengt und neu definiert.

Donnerstag, 19. Januar 2017 – 20 Uhr

ACC Galerie Weimar (Burgplatz 1 + 2, 99423 Weimar)

Eintritt: 2,- €/ erm. 1,- €

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Tim Holland (Foto: Fine Bieler)

„Es geht um Fukushima, Berichterstattung und (mediale) Katastrophen, um Liebe, da geht es dann auch um asymptotische Annäherung, wo man crashen wollen würde, es geht um Territorialverhalten und um Imitation, um Bespitzelung, Singen, es geht um den Wald, um Wiese, das Meer, nicht um den Strand, aber das Ufer und das Wasser“, schreibt der Berliner Lyriker Tim Holland über seinen 2016 erschienenen Debütband vom wuchern.

Musikalisch begleitet und erweitert wird der Abend vom vielfach ausgezeichneten Klarinettisten Moritz Schneidewendt, der bereits in verschiedenen namhaften Orchestern spielte; zuletzt als Soloklarinettist der Musikalischen Komödie/Oper Leipzig.

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Moritz Schneidewendt (Foto: privat)

Ihn treibt vor allem seine Leidenschaft zur Kammermusik an. Insbesondere die Interpretation zeitgenössischer Werke und das Ausloten neuer Möglichkeiten auf seinem Instrument liegen Moritz Schneidewendt am Herzen. Er arbeitet eng mit jungen Komponisten und Komponistinnen zusammen und ist Teil vielfältiger Kammermusikprojekte, u.a. Via nova Ensemble Weimar, Duo Akoka, Sommerliche Musiktage Hitzacker.

Moderation: Peter Neumann.

Die Lesung ist einer Veranstaltung der ACC Galerie Weimar in Kooperation mit der unabhängigen Lesereihe In guter Nachbarschaft.