„Auch Zeitungsbeiträge können Spannungskurven haben, einen Handlungsrahmen und eine Pointe.“

Am 17. Mai findet die 21. Ausgabe von IN GUTER NACHBARSCHAFT in Weimar statt. Neben Deniz Ohde und Sina Stolp wird dann auch Kathleen Kröger aus ihren Texten vorlesen. Wir stellen die Erfurter Autorin und Zeitungsredakteurin in einem Kurzinterview vor.

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Kathleen Kröger (Foto: Sippel)

Liebe Kathleen, du bist Redakteurin für das Magazin hEFt für literatur, stadt und alltag in Erfurt. Wie würdest du die Arbeit in eurem Magazin beschreiben?

Wir arbeiten als Redaktion immer im Team und treffen die Entscheidungen rund um die Inhalte des hEFts in der Gemeinschaft. Das Schöne daran ist, dass jeder seine Themengebiete einbringen kann, und wir darauf hin arbeiten, dass auch in der bunten Mischung von Kulturpolitik, Gesellschaft und auch Sport eine gewisse Linie fortgesetzt wird, in der es um Soziokultur geht. Dabei schneiden wir politisch-relevante Themen an, die vor allem Erfurt und die hiesige Kulturpolitik Thüringens betreffen. Aber auch satirische Elemente finden sich immer wieder. Die Mischung macht’s. Hinzu kommt die Arbeit am Literaturteil, der uns auch von anderen Magazinen unterscheidet. Hier redigieren wir die Texte, wählen aus, was oft nicht sehr leicht ist.

Neben deinen Texten für das hEFt, schreibst du für die Thüringer Allgemeine und die Mitteldeutsche Zeitung. Wie findest du deine Themen?

Die Themen für die Texte greife ich immer aus meinem Alltag, indem ich mich über mein eigenes Scheitern lustig mache. Sei es, dass bei mir keine Grünpflanze überlebt, ich Aggressionen habe, wenn mir die Jacke dauernd vom Garderobenhaken fällt oder dass mich Feiertage komplett aus meinem Wochenrhythmus werfen. Die Themen für die Artikel begegnen mir in letzter Zeit tatsächlich eher zufällig. Als freie Mitarbeiterin bin ich ja weniger im Tagesgeschäft der Zeitung involviert, sondern stoße eher spontan auf Menschen, die Außergewöhnliches tun oder Kunstausstellungen, die bisher (vielleicht zu wenig) Aufmerksamkeit bekommen haben. Da sind auch die Kontakte zu den Kommilitonen sehr wichtig, die in den jeweiligen Szenen sehr gut vernetzt sind.

Siehst du dein Schreiben eher als journalistisch oder literarisch an?

Das ist eine schwierige Frage. Im Nachrichtengeschehen muss der Stil natürlich zwingend neutral sein. In anderen Beiträgen ist da schon mehr Spielraum. Da würde ich den Begriff „journalistisch“ nicht losgelöst vom Literarischen sehen. Auch Zeitungsbeiträge, die ja im Grunde genommen, Gebrauchstexte sind, können Spannungskurven haben, einen Handlungsrahmen und eine Pointe. Nur wie stark diese Seite herausgekehrt wird, ist entscheidend. Nicht umsonst gibt es die Gattung „literarischer Journalismus“, auch wenn diese scheinbar seltener öffentlich präsentiert wird.

Würdest du deine Texte als Essays bezeichnen?

Die Texte für das hEFt haben auf jeden Fall essayistische Züge. Hier kommt es für mich ganz individuell darauf an, ein Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten, etwas zur Diskussion zu stellen, ein oder verschiedene Meinungsbilder thesenartig abzugeben.

Hast du journalistische oder literarische Vorbilder oder solche die zwischen diesen Bereichen schreiben?

Das Wort Vorbild finde ich etwas hochgegriffen, aber ich schätze die Texte von Egon Erwin Kisch und Jan Neruda. Nicht nur wegen ihres Stils und ihrer Unterhaltsamkeit, sondern auch für den Spiegel der Zeit, den sie abgeben. In Literatur hänge ich dann eher an Horst Evers oder Wilhelm Genazino, die ihre Alltagsminiaturen so amüsant machen, dass ich beim Lesen zuerst laut loslache (auch mitten in der Straßenbahn) und mir danach sage, dass alles, was ich selbst schreiben würde, niemals diese Qualität erreichen wird. Also würde ich bei beiden letzteren schon eher von Vorbildern sprechen.

Alltagsminiaturen wäre ein sehr guter Begriff um deine Texte zu beschreiben. Könntest du einen kurzen Einblick gewähren in die zukünftigen Veranstaltungen des Kulturhauses Dacheröden für das du in der Pressearbeit tätig bist?

Da wird sich in den nächsten Wochen noch Einiges tun. Die Frühlingslese bringt verschiedene Lesungen mit sich. In dieser Woche startet die Veranstaltungsreihe „Film im Salon“, in der Literaturverfilmungen gezeigt werden, ganz aktuell hat Rudolf Escher eine Ausstellung seiner Druckgraphiken bei uns im Haus und Ende Mai freuen wir uns auf den Autoren Anselm Oelze. Veranstaltungen wie die Frechen Fragen an Chefärzte, in Zusammenarbeit mit der Zentralklinik Bad Berka und die Philosophischen und Politischen Salons warten mit interessanten Themen auf viele Besucher und Gäste.

In diesem Sinne: Hoffen wir, dass die nächste Ausgabe In guter Nachbarschaft am kommenden Freitag ebenso interessant wird. Vielen Dank für deine Antworten!

Ich bin schon gespannt und ein bisschen aufgeregt.

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IN GUTER NACHBARSCHAFT #21

Lesung, Gespräch, Musik mit Deniz Ohde, Sina Stolp, Kathleen Kröger und Tommy Neuwirth

17. Mai 2019 – 19:30 Uhr

ACC Galerie Weimar (Burgplatz 1-2, 99423 Weimar)

Eintritt: 5,-€ / ermäßigt 3,-€ (nur Abendkasse)

Rückschau: watch us grow.

Am 18.2.2017 schlossen sich insgesamt fünf Kulturinitiativen zusammen, für einen gemeinsamen und vor allem vielfältigen Literaturabend in Erfurt; mit Lesungen, Performances und Musik. Die Idee dahinter: fünf Veranstalter lassen fünf Autoren für sich sprechen. Mit dabei waren das hEFt, das HANT – Magazin für Fotografie, der Litart Thüringen e.V. (Literaturfestival Erfurt), unsere Lesereihe In guter Nachbarschaft – und als Gäste unsere Freunde von mosaik – Zeitschrift für Literatur und Kultur aus Salzburg.

Ein Abend, der die Vielfalt und den Pluralismus einer freien Kultur- und Literaturszene abbilden möchte, braucht natürlich einen passenden Veranstaltungsort. Wir haben uns sehr gefreut, bei FRAU KORTE im Nordbahnhof zu Gast sein zu dürfen!

Nach einer kurzen Einführung durch die Moderatoren eröffnete die Kieler Autorin Franziska Ostermann, auf Einladung vom HANT-Magazin, den Abend. Ihr Langgedicht „Der Mückentod“ war eine poetische Wahrnehmungsfolge, in der das Publikum der Protagonistin Aurie durch einen Sommertag am Wasser folgte.

Es folgte die gebürtige Erfurterin Franziska Wilhelm, hEFt-Autorin der ersten Stunde, die bereits als Romancière auf sich aufmerksam machte und fester Bestandteil der Lesebühne Schkeuditzer Kreuz in Leipzig ist. In ihren Texten huldigte sie leidenschaftlich und augenzwinkernd dem Dresdner Autor Michael Bittner und spürte der Orientierungslosigkeit der Nach-Wendejahre im Erfurter Plattenbau nach.

Bevor es in die Pause ging, setzte sich Kinga Tóth auf Einladung unserer Lesereihe hinters Mikrofon. Die ungarische Soundpoetin, die bereits im letzten Jahr bei der „Summer Edition“ in Jena bleibenden Eindruck hinterließ, las und performte aus ihrem aktuellen Gedichtband Wir bauen eine Stadt. Dazu mischte sie die Texte mit einer Geräuschkulisse aus Gesang, Knister- und Klopfgeräuschen, die sie live mit einer Loop-Station wiedergab.

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Nach der Pause eröffnete Josef Kirchner den zweiten Teil des Abends und stellte kurz das in Salzburg beheimatete Label mosaik vor, das mittlerweile nicht mehr nur als Zeitschrift, sondern auch als Verlag und Veranstalter in Erscheinung tritt. Für mosaik las die Augsburgerin Alke Stachler aus ihrem Buch Dünner Ort poetische Prosaminiaturen. Aufmerksam folge das Publikum den sorgsam gesetzten Worten und Wendungen, die einen gefühlvollen und überzeugenden Ich-Du-Dialog erzeugten.

Zuletzt trat der Musiker und Schauspieler Michael Donth ans Mikro. Er las und sang auf Einladung des Litart Thüringen e.V. eine Cut-Collage aus Arno Schmidts Aus dem Leben eines Fauns. „Die Sache ist nicht unkompliziert“, gab er zu. Dennoch bedurfte es weder bei ihm noch beim Publikum einer Anlaufzeit, um sofort in den Text hineingezogen zu werden. Begeistert folgte das Publikum u.a. den Schmidtschen Lobpreisungen Wielands – ebenso wie den unterhaltsamen Schmähungen Goethes. Kein Wunder, dass im sehr gut besuchten FRAU KORTE der Abend mit viel Applaus endete.

Zu den zahlreichen anschließenden Gesprächen über Literatur und das Kulturschaffen in und außerhalb Thüringens ließ DJ Holm J∅rgensen mit chilltem Elektro und House die Köpfe zufrieden nicken.

In guter Nachbarschaft sagt im Namen aller Beteiligten „Vielen Dank!“ an die Autoren, FRAU KORTE und das Publikum.

Kultur machen. Gemeinsam. – Ein Gespräch zwischen den Macher*innen von hEFt Erfurt, Literaturfestival Erfurt und In guter Nachbarschaft

Am 18.2. findet im Erfurter Club Frau Korte die Veranstaltung „watch us grow.“ statt. Dafür haben sich u.a. vier Kulturinitiativen aus Erfurt bzw. Thüringen zusammengeschlossen. In einem gemeinsamen Chat haben sich die Organisator*innen von In guter Nachbarschaft mit Alexander Platz und Thomas Putz vom hEFt Erfurt, sowie Max Walther vom Literaturfestival Erfurt über die Förderung der freien Kulturszene in Thüringen unterhalten.

Peter Neumann: 2016 war ja miserables Jahr für die Kulturförderung in Erfurt: verspäteter Haushaltbeschluss, umfangreiche Kürzungen, gerade im Bereich der Freien Szene. Der „kulturelle Notstand“ wurde verkündet. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass die Freie Szene immer lebendiger wird, vielfältiger, vernetzter, und auch zunehmend überregional wahrgenommen wird. Letztes Jahr haben sehr viel schöne Dinge stattgefunden: Ich erinnere mich an das Festival der Unlesbarkeit, eine Kooperation von Textil-Festival und Literaturfestival Erfurt, in Jena die „Summer Edition“ von In guter Nachbarschaft. Und jetzt der Zusammenschluss zu „watch us grow“. Mal so in die Runde gefragt: Wie nehmt ihr die aktuelle Situation wahr?

Thomas Putz: Ja, man kann sagen, dass die Öffentlichkeit durch die ganzen Kürzungsversuche seitens der Stadt Erfurt nun vielleicht etwas mehr sensibilisiert ist. Andererseits gab es früher auch schon gute Sachen. Eben nicht mit soviel Tammtamm, eher undergroundig.

P. Neumann: Mit überregional meine ich: über Thüringen hinausgehend. Zumindest In guter Nachbarschaft wird gerade auch von anderen Projekten, Lesereihen und Zeitschriften angesprochen. Babelsprech, mosaik, solche Dinge.

A. Platz: Das ist aus meiner Sicht aber eher die Ausnahme. Die Vernetzung innerhalb Thüringens ist aber deutlich besser geworden. Oder man könnte auch sagen, dass wir uns kennengelernt haben. Weimar und Jena waren ja früher auch gut vernetzt.

P. Neumann: Thomas, was meintest Du eigentlich mit undergroundig? Früher eher so parzelliert, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle?

Th. Putz: Naja, ohne Facebook etc. lief das eben anders, man traf sich in der Kneipe und hat gesponnen. Was heute über Facebook möglich ist, auch an Öffentlichkeitsarbeit, war ja noch vor Jahren nicht möglich.

hEFt für literatur, stadt und alltag

Mario Osterland: Mich würde interessieren, wie Max das sieht. Ihr hab ja sozusagen als „Erfurt-Neulinge“ gleich ein Festival an den Start gebracht.

Max Walther: Nun ja, Neulinge würde ich zwar nicht sagen, da wir knapp zwei Jahre vorher begonnen haben Veranstaltungen zu machen. Aber die Bereitschaft uns zu fördern, nachdem wir die Kooperation mit dem Textil-Festival starteten, war schon recht erfreulich.

M. Osterland: Da sind wir ja gleich bei der Frage nach den Kooperationen. Sie scheinen schon relativ unabdingbar zu sein, um in Strukturen von Förderung und Wahrnehmung hinein zu kommen.

M. Walther: Kooperationen sind meines Erachtens wichtig für die interne Förderstruktur, für das Regionale. Und freundschaftliche Beziehungen und ein Austausch vor allem für überregionale Projekte, wie bereits angesprochen Babelsprech, mosaik etc.

M. Osterland: Im Vergleich zum undergroundigen „Früher“ hat man ja heute schon mal mit dem hEFt sozusagen eine Institution als Anlaufstelle. Die kann man aufsuchen und fragen: Wie läuft das so mit der Kultur in Erfurt? So hätte ich es zumindest gemacht, wenn ich ein Literaturfestival Erfurt hätte organisieren wollen. Daher meine Frage nach den ersten Schritten in der Stadt.

M. Walther: Ich würde sagen: klar orientiert man sich, wenn man eine Idee hat. Man schaut sich an, was und wen es gibt und positioniert sich dementsprechend mit den eigenen Entwürfen etc. Dann ist die Menge an Leuten, die Ähnliches machen doch recht überschaubar und man läuft sich automatisch über den Weg, bzw. kommt zusammen.

A. Platz: So war es zumindest zwischen Textil und dem Literaturfestival Erfurt.

Th. Putz: Andererseits ist es auch wichtig, dass die Jüngeren (und die finden sich schon) ihr eigenes Ding machen. Da ist das hEFt mit seinen alten Säcken vielleicht Orientierungspunkt, aber ob man da zwangsläufig eng kooperieren muss. Ich bin gegen ein Kooperierungsgebot!

M. Walther: Ganz richtig!

Kein automatischer Alternativtext verfügbar.Julia Hauck: Das sehe ich auch so. Man sollte sich jedenfalls nicht in Konkurrenz sehen, sondern sein/ihr Ding machen und nur wenn es passt, gern auch mal zusammen.

A. Platz: Bei uns war es Liebesheirat, nicht wahr, Max?

M. Walther: Mmmhhh.

P. Neumann: Das wäre auch so eine Frage, die ich habe: Wo seht ihr eigentlich die Potenziale einer jungen, unabhängigen Literaturszene im Freistaat? Denn so schlecht ist Thüringen nun wirklich nicht aufgestellt. Oder anders gefragt: Was machen wir anders? In welche Lücke springen wir, wenn wir springen?

M. Osterland: Die Lücke, die es zu füllen gilt, ist immer das Vorhandene, das noch nicht wahrgenommen wird, aber Wahrnehmung verdient, sichtbar zu machen.

M. Walther: Quotable phrases – chapeau, Mario. Meines Erachtens gibt es mehr als genug Lücken. Vielleicht aber nicht genügend Möglichkeiten (auch finanziell) diese zu füllen. Und das ist vielleicht auch tatsächlich ein Verteilungsproblem – Zur Unabhängigkeit: Da sehe ich tatsächlich das Problem in Initiativen die Zusammenarbeit versuchen zu institutionalisieren und mehr oder minder tatsächlich zu „erZWINGEN“. Und der Zwang zur Institutionalisierung hängt ja wiedrum eng mit den Finanzierungsproblemen zusammen.

M. Osterland: Was heißt schon Unabhängigkeit, wenn man an Fördertöpfen hängt? Das ist ein nicht aufzulösender Widerspruch.

J. Hauck: Ohne die Literarische Gesellschaft im background hätten wir es als Lesereihe auch schwer, zugegebenermaßen.

Th. Putz: Zu den Potentialen, die Peter angesprochen hat: Raum schaffen für Literatur, den Schreibenden Möglichkeiten geben, besser zu werden, sich auszutauschen, auf die Bühne zu gehen. Und das ohne „kommerziellen Druck“.

J. Hauck: Ja, Räume sind ein Thema. Das ist nicht immer einfach in den Städten, für viele Projekte jeglicher Künste. Da geht es schon los mit der Kreativität. Aber ist es nicht schon so, dass wir den Spagat Finanzen und Ideen durch Leidenschaft überbrücken?

M. Osterland: Julia, ich würde sagen Selbstausbeutung ist der Kitt, der die Kulturarbeit zusammenhält.

J. Hauck: Ich weiß. Machen muss man es ja trotzdem, auch bis zu einem kleinen Grad an Selbstausbeutung. Weil es cool und wunderbar ist. Dieser ganze Literaturkram.

A. Platz: Den Begriff der Selbstausbeutung finde ich aber problematisch. Wir erbringen im Grunde genommen ja eine Dienstleistung für die Gesellschaft. Für sehr wenig Geld.

M. Osterland: Aber es sollte doch idealerweise ein Geben und Nehmen sein. Wir erbringen der Gesellschaft eine Dienstleistung, die uns die Gesellschaft qua Steuergeld ermöglicht.

A. Platz: Ja, kulturelle Grundversorgung und Kulturförderung sind gesellschaftliche Aufgaben.

P. Neumann: Zu all dem vielleicht mal ein konkretes Beispiel: Wir als In guter Nachbarschaft planen eine Veranstaltung im Rahmen der Langen Nacht der Museen in Jena. Auch so eine Institutionalisierung. Hier ist allerdings das große Problem, dass wir zwar Aufmerksamkeit bekommen werden, aber keinen Cent von der Stadt. Die Einnahmen verbleiben bei ihnen. Sowas darf tatsächlich nicht sein.

M. Walther: Da wird man tatsächlich auf den einsamen Hügel des Idealismus getrieben …

A. Platz: Das wäre eben etwas, das zwischen den Beteiligten auszuhandeln wäre.

Th. Putz: Naja, für die Museumsnacht werden in Weimar sicher auch Honorare gezahlt – nur eben für die, dies ohne nicht machen.

P. Neumann: In diesem Falle, in Jena, tragen wir, also In guter Nachbarschaft die Honorare.

A. Platz: Muss man eigentlich ablehnen sowas.

P. Neumann: „Eigentlich“. Genau um dieses Wort geht’s.

J. Hauck: Zur Info: Da machen auch fast nur städtische oder universitäre Einrichtungen mit, wenige kleine Vereine. Ist auch das erste Jahr ohne Entschädigung.

A. Platz: Schon frech. Haben sie euch angefragt?

P. Neumann: Wir wollten eine Kooperation mit dem Jenaer Kunstverein machen. Die Gelegenheit schien uns gut.

A. Platz: Läuft dann wahrscheinlich unter bürgerschaftlichem Engagement …

P. Neumann: Ehrenamt, Du sagst es.

A. Platz: Das gibt’s ja auch noch. Habt ihr versucht, zu verhandeln oder war das von Anfang an die Ansage?

J. Hauck: Ich will ja nicht h8ten, aber die Honorare bezahlt da halt das Land. Die Stadt fördert halt ein Klitzkleinwenig. Normalerweise über den Fonds Soziokultur in Jena. Die Lange Nacht der Mussen ist da selbst Opfer der städtischen Finanzierung und zahlt mit den Einnahmen die Werbekosten. Was jetzt INSGESAMT die städtische Kulturförderung jetzt nicht sooo toll aussehen lässt.

A. Platz: Das wäre auch noch so ein Komplex. Die finanzielle Lage der Kommunen.

Th. Putz: Die jungen Städte wollen auch ihre junge freie Szene haben. Inzwischen haben es nämlich auch die Verwaltungen begriffen. Nur bezahlen will das keiner.

J. Hauck: Die Nacht der Museen geht weniger über Ehrenamt, denn über die Hauptamtlichen in den Museen. Der Jenaer Kunstverein ist da schon Ausnahme und wir Ausnahme obendrauf. Aber sie hätten uns schon „einkaufen“ können als Event, klar. Aber da fehlt dann der Wille. In Weimar ist der Kulturetat auch nicht Bombe, oder?

Th. Putz: Aber für’s Kunstfest ist immer noch ein Säckchen da …

P. Neumann: Umso gerührter waren, dass uns das die ACC Galerie im Januar eingeladen hat.

Th. Putz: Gute Leute dort in der ACC.

A. Platz: Tolle Ausstellungen!

J. Hauck: Weimar ist aber auch krass, was Etabliertes/Klassisches vs. Unabhängiges/Freies angeht, oder?

P. Neumann: Ich glaube, es geht nicht darum Etabliert gegen Unabhängig auszuspielen.

J. Hauck: Nein, aber für die Kleinen ist es doch schon erstmal schwieriger oder? Von den Geldern her, meine ich.

Th. Putz: Nein, aber es geht darum, dass es immer einen Weg gibt – wenn man es will. Siehe Theaterverhandlungen letztes Jahr.

P. Neumann: Jep. Und was oft übersehen wird: So viel Geld braucht die Freie Szene gar nicht. Also: ich meine, man kann schon mit relativ wenig Geld ziemlich geile Veranstaltung machen. Der Schaden, den man anrichtet, wenn man die Freie Szene nicht fördert, ist dagegen umso größer.

M. Osterland: Guter Punkt von Thomas und Peter. Man braucht im Grunde nur Willen und wenig Geld. Merkwürdig, dass das oft so schwer kommunizierbar ist.

J. Hauck: Darf man auch echt nicht vergessen, dass es im kleinen Thüringen ja mit euch und anderen wirklich einiges an „geilem Scheiß“ gibt.

Th. Putz: Aber das geht ja alles nur, solange man studiert oder einen Job hat, der einen nicht umbringt. Irgendwann braucht man Kohle zum Leben.

M. Osterland: Aber auch Zeit Kultur zu organisieren. Und das ist ein Konflikt. Soviel könnte einem die Kultur schon Wert sein, dass jede Initiative einen Hauptamtlichen beschäftigen kann. Das ist natürlich Wunschdenken.

P. Neumann: Story of In guter Nachbarschaft.

A. Platz: Unser aller Geschichte …

J. Hauck: Ach das wäre schön. Ein/e Hauptamtliche/r. Für alle einen.

M. Walther: Aber dann sind wir eben nicht bei „wenig Geld“ und viel Wollen. Ich glaube das ist schon auch eine falsche Parole – im Ansatz richtig, aber nicht durchgehend.

M. Osterland: Vielleicht nicht zwingend. Es muss ja nur für die Miete und den Kühlschrank reichen.

A. Platz: Na ja, da muss man auch schauen, ob das wirklich nötig ist. Das Ehrenamt ist ja nicht per se Teufelszeug, sondern nur dort, wo es eigentlich notwendige hauptamtliche Strukturen ersetzen muss.

M. Walther: Ja, klar. Sehe ich alles genauso. Keine Frage – und auch richtig, Alexander. Nur finde ich dann diese Parole etwas verfrüht. Und auch irreführend. So legt man nämlich der Struktur die passenden Worte in den Mund.

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P. Neumann: Ich glaube, die Frage ist: Welche Strukturen, welche Formen von Kultur/Literatur ermöglichen. Und ob da ein vorschnelles Einlenken sinnvoll ist. Sicherlich (wie vieles) situativ zu entscheiden.

A. Platz: Das muss man von Fall zu Fall entscheiden, deswegen finde ich es auch wichtig, nicht pauschal nach mehr Geld und Hauptamtlichkeit zu schreien.

J. Hauck: Na ja, ich sehe schon, dass Zeit Geld ist und Kultur braucht viel Zeit zum gedeihen und wachsen. Diese ganze Organisation. Wenn man da wenigstens ein paar Stunden die Woche nicht an seine Miete denken muss, finde ich die Forderung nicht von der Hand zu weisen. Klar kommt das auf die Initiative an. Aber sechs Veranstaltungen im Jahr könnte ich jetzt neben meinem Job nicht mehr stemmen.

Th. Putz: Man muss versuchen, trotzdem unabhängig zu bleiben (wenn man es will). Das hEFt hat sich vom Konzept her in den zwölf Jahren kaum verändert. Marktwirtschaftlich gesehen würden das nicht funktionieren. Aber wir haben bewusst keine Anzeigen geschaltet. Sonst hätten wir auf der Rückseite jetzt Bundeswehr-Werbung. Aber auch eine Auflage von 20.000 Stück (die braucht man nämlich dann, wenn man Geld verdienen will – und Werbung auch!).

P. Neumann: Wir. Dienen. Erfurt.

M. Walther: Ich dachte auch nicht an Kommerzialisierung. Keineswegs. Nur eben auch nicht daran, immer zu behaupten und besser: den Eindruck zu vermitteln, das Wichtigste seien unser Elan, unser Idealismus und unsere tollen Ideen.

A. Platz: Ja, das ist das neoliberale Dogma.

Th. Putz: Ja, Max, ich weiß – aber das ist manchmal der einzige Weg, wenn keine öffentliche Förderung geht und man es weitermachen will, vielleicht auch „beruflich“.

J. Hauck: Ich glaube, wir meinen alle den Mittelweg. ich fordere mehr Freiheit und mehr Geld gleichzeitig. Irgendwie.

M. Osterland: Ist vielleicht der Status quo am Ende der einzige Weg durch diese Gemengelage? Der Mittelweg, den wir im Grunde wollen?

M. Walther: Nun. Vielleicht nicht der Status quo. Wir brauchen einen Ausdruck, müssen genau das ausdrücken – finde ich. der Statuts quo ist schon auch irgendwie schweigen.

A. Platz: Man muss einerseits die Realitäten zu Kenntnis nehmen, also den Status quo, und damit umgehen. Anderseits ist es schon wichtig, immer wieder die Frage in den Raum zu stellen: Könnte es nicht auch anders sein? Noch besser wäre es, Handlungsoptionen zu entwickeln und zu handeln. Gemeinsam.

J. Hauck: Gibt es da schon Handlungsoptionen?

M. Osterland: Wo seht ihr JETZT konkreten Handlungsbedarf? Vielleicht auch erstmal in kleinen Schritten.

P. Neumann: Nicht schweigen. Leute anquatschen. Für die gute Sache eintreten. Werbung machen. Tammtamm. Kooperieren. Vereinzeln. Födern. Gefördert werden. Rausgehen. Wiederkommen. Feiern.

M. Osterland: Ok. Das machen wir im Grunde täglich.

P. Neumann: Ja, und ich glaube das „täglich“ ist wichtig.

M. Walther: Ich denke vor allem daran, auch Größeres – mit mehr Vorlauf – gemeinsam zu machen. Mit mehr Wucht schlicht und ergreifend. Wie Projekte ähnlich dem Haus am Busbahnhof (angedacht). Um eine Plattform zu haben, nach Außen zu kommunizieren.

J. Hauck: Ich bin für: Wucht!!!!!!1111!!

M. Osterland: Das heißt: Wir legen hier gerade einen Grundstein?

Th. Putz: Ich bin für Pflasterstein!

P. Neumann: Ein GROßER Pflasterstein.

M. Walther: Auch einfach um personelle Ressourcen so zu bündeln um dem neoliberalen Dogma entgegen wirken zu können… trotzdem zu lachen und vielleicht einen Kühlschrank zu füllen und eine Wohnung zu haben. Mehr oder minder (im Traumtanz).

P. Neumann: Das klingt nach einem Schlusswort. Schön war’s.

18.2. – Erfurt – watch us grow.

Watch us grow. Literatur + Musik + freie Szene.

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Samstag, 18. Februar 2017 

Frau Korte (Nordbahnhof, Magdeburger Allee 179, 99086 Erfurt)

Einlass: 19 Uhr
Beginn: 20 Uhr

Eintritt: 3,- €

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Als gemeinsamer Auftakt für ein neues Jahr der Zusammenarbeit und Freundschaft treten WIR – In guter Nachbarschaft, Literaturfestival Erfurt, hEFt, HANT – Magazin für Fotografie – offen in Dialog miteinander und lassen, in gewohnter Manier, Literatur für uns sprechen, der Syntax ihr Spiel und dem Abend seinen Lauf.

Vier unabhängige Thüringer Initiativen für Literatur, Photographie, Kunst und Alltag treten geschlossen und vor allem entschieden auf und trotzen bei Frau Korte im Nordbahnhof dem Wetter. Was das heißt? Ganz einfach: Vier Schriftsteller*innen treffen aufeinander, geben & nehmen sich das Wort und machen dadurch vor allem deutlich, dass Literatur und Erfurt sich keineswegs ausschließen.

Mit dabei sind: Kinga Tóth, Franziska Wilhelm, Franziska Ostermann und Michael Donth liest Arno Schmidt!

AUSSERDEM AUS SALZBURG ZU GAST: mosaik – Zeitschrift für Literatur und Kultur mit der Autorin Alke Stachler.

Danach: DJ Holm Jørgensen

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