Rückschau: IN GUTER NACHBARSCHAFT #14

Die 14. Ausgabe von In guter Nachbarschaft liegt hinter uns. Und was sollen wir sagen? Es war mit Sicherheit die anarchischste Ausgabe der Lesereihe seit ihrer Gründung. Daniel Ketteler und sein mit Ernst Wawra betriebenes French-House-Projekt Elektro Willi und Sohn bescherten dem Publikum im Franz Mehlhose in Erfurt einen Abend, den garantiert niemand so schnell vergessen wird.

Ketteler las zunächst einige Passagen aus seinem Roman Grauzone, der die Zuhörer*innen – ganz wörtlich gemeint – aus den Tiefen der Psychiatriegeschichte bis auf ein Kreuzfahrtschiff führt, auf dem Elektro Willi und Sohn als Showband auftreten. Nach kurzer Vorstellung und Einführung in die Figurenkonstellationen des Williversums tauschte Ketteler das Lese- mit dem Gesangsmikro und ließ die Übergänge von Literatur und Musik fließen. Eine Prise kontrollierten Wahnsinns inklusive.

Im Pausengespräch mit Moderator Mario Osterland erklärte der praktizierende Facharzt für Psychiatrie Ketteler, dass die Grenzen zwischen Normalität und Wahnsinn nicht existieren oder zumindest stark ineinder fließen. Eine Erkenntnis, die sich in Kettelers künstlerischem Schaffen spiegelt, in dem sich Literatur und Musik, Zitat und Parodie, Techno und Dada nahtlos verbinden.

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Im zweiten Teil des Abens las Ketteler aus einem noch unveröffentlichten Skript, in dem psychotische Menschen und der illegale Medikamentenhandel am Kottbusser Tor in Berlin im Zentrum stehen. Abgerundet wurde die Show mit den Elektro Willi-Hits Das Knacken in der Rille, Autoscooter und Quel Bordell, bei dem erstmals die legendäre Deborah aus Bielefeld mit auf der Bühne stand. Ein angenehmer Überraschungsgast für Veranstalter und Publikum – und Motivation für Vater und Sohn, die Bühnen der Republik nach langer Pause erneut zu erobern? Nach der Show ließen Ketteler und Wawra jedenfalls durchblicken, dass das „präfinale Konzert“ in Erfurt durchaus auch der Startschuss für ein Elektro Willi-Comeback sein könnte. Wir sind gespannt.

Es bleibt uns nur Danke! zu sagen bei Daniel Ketteler, Elektro Willi (aka Ernst Wawra), Deborah (Soetkin Elbers), Philip, Ralf und dem Team von Franz Mehlhose, sowie der Literarischen Gesellschaft Thüringen und allen Förderern unserer Lesereihe.

4.11. – Erfurt – In guter Nachbarschaft #14

Die unabhängige Lesereihe In guter Nachbarschaft kehrt nach Erfurt zurück! Mit dabei ist diesmal der Berliner Arzt, Autor und Musiker Daniel Ketteler. Er liest, unterstützt durch Livebeats von DJ Ernst Wawra (Alphawezen), unter anderem aus seinem Roman Grauzone.

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Samstag, 4.11.2017 – FRANZ MEHLHOSE (Löberstraße 12, Erfurt)

Beginn: 20 Uhr

Eintritt: 5,-/ erm. 3,- € (nur Abendkasse)

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„Es ist ein uralter Menschheitstraum: das Lesen von Gedanken. Es ist ein Glücksversprechen und Alptraum zugleich. Hier wird aus dem Traum Realität. Es ist die Grauzone – ein Elektroenzephalogramm. Hans Berger, Ordinarius für Psychiatrie in Jena, hat ihn geträumt, diesen ambivalenten Traum. Er wollte es lösen, das Menschheitsrätsel, und entwickelte ein Gerät zur elektrophysiologischen Aufzeichnung gedanklicher Aktivität: das noch heute bekannte Elektroenzephalogramm (EEG). …
Daniel Ketteler überträgt die Gedanken Bergers auf seine eigene Endlosrolle, im Beat hektischer Wortamplituden zuckt der Traum Bergers auf, surrt ihm eine schier unglaubliche Geschichte aus dem Schreiber. Hinter den cleanen Hörsälen der Schulpsychiatrie, da gären die alten Chimären weiter, da wurde über der Bergerschen Idee gebrütet. Unmerklich gelang ein Durchbruch: das Lesen von Gedanken, ein Hirnleseapparat.“

Im Anschluss spielen Ketteler und Wawra mit ihrem French-House-Projekt Elektro Willi und Sohn ein exklusives Minikonzert und kündigen damit ihren Abschied an. Sie haben ihren Aachener Waschmaschinenladen verkauft und genießen die Rente mit Hilfe einer Sammlung erlesener französischer Schaumweine. In Erfurt kommen sie nochmal zu einer kleinen präfinalen Show zusammen. So kurz vor dem 40ten, da summt die Drüse, da brummt der Bass. Und vielleicht kommen sogar die tanzenden Zwillinge mit aufs musikalische Trapez.
http://www.elektrowilli.com/

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In guter Nachbarschaft ist ein Projekt der Literarische Gesellschaft Thüringen e.V. und wird durch die Thüringer Staatskanzlei gefördert. Organisiert von Julia Hauck, Peter Neumann und Mario Osterland.
Moderation: Mario Osterland

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In guter Nachbarschaft ist Teil der Initiative Unabhängige Lesereihen: http://lesereihen.org/