Vorgestellt: Robert Sorg

Robert Sorg, geb. 1978 in Dresden, ist Kunsthistoriker und seit 2004 Mitarbeiter der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar. Von 2009 – 2015 war er Galerist und Vorsitzender des Kunsthof Jena e.V. Set 2016 ist er Vorsitzender des Jenaer Kunstvereins.

Robert Sorg
Robert Sorg (Foto: René-T. Kusche)

 

Mario Osterland: Lieber Robert, deine Biografie sagt Kunsthistoriker, Bibliothekar, Kulturmanager und Dichter. Was bist du momentan am meisten bzw. wie sind diese Aufgaben in deinem Leben gewichtet?

Robert Sorg: Eigentlich sollte ganz demokratisch alles egalitär behandelt werden. Aber es gibt, den Umständen entsprechend, natürlich verschiedene Gewichtungen zu verschiedenen Zeiten. Priorität hat der Broterwerb, also mein bibliothekarisches Dasein. Bekanntlich lebt der Mensch jedoch nicht vom Brot allein. Die mangelnde Praxis und Selbstentfaltung die ein Angestelltendasein in der von Spezialisierung geprägten modernen und postmodernen Arbeitswelt darstellt, kann ich durch das Kulturmanagement und das Schreiben reduzieren. Wobei das Kulturmanagement derzeit ziemlich viel Zeit in Anspruch nimmt. Naja, und zum Schreiben lasse ich mich gerne vom freien Leben inspirieren, also muss ich auch noch leben. Und leben heißt ja nicht immer nur seinen Funktionen nachkommen.

M.O.: Wie lebt es sich denn als Kulturschaffender in Thüringen? Seit wann bist du eigentlich hier? Du bist ja dem Papier nach Dresdner.

R.S.: In Dresden habe ich nur die ersten vier Jahre meines Lebens verbracht und dann ging’s ab in den Bezirk Suhl, Kreis Ilmenau, danach kam die Einführung des Freistaats Thüringen, aus dessen Grenzen ich nicht mehr herausgekommen bin. Als Kulturschaffender hat man durchaus Möglichkeiten, allerdings ist es im Unter- und Mittelbau der Kulturschaffenden ein ziemlich nervenaufreibendes Treiben, das extrem vom wie auch immer begründeten Enthusiasmus der ehrenamtlich Engagierten getragen wird. Langfristiges Planen von Förderprojekten ist eine extreme Herausforderung, eine Gleichung mit ziemlichen Unbekannten, die Summe/das Produkt steht zumeist erst fest, wenn die Idee sich bereits in der Umsetzung befindet. Das übrigens ist mein persönlicher Lustgewinn im Kulturschaffen – die Materialisierung einer Idee zu begleiten.

M.O.: Das kommt mir ziemlich bekannt vor. Dank solcher Enthusiasten wie dir konnten wir zuletzt „In guter Nachbarschaft“ in der Galerie im Stadtspeicher veranstalten. Für solche Kooperationen sind wir nicht zuletzt deswegen sehr dankbar, weil unabhängige Kultur Räume – wie etwa Galerien – braucht. Diese zu betreiben ist jedoch auch nicht immer einfach. Wie steht es denn beispielsweise um „unsere alte Heimat“, den Kunsthof in Jena?

R.S.: Die Galerie im Kunsthof besteht nicht mehr, da der Verein Kunsthof Jena, dessen Vorsitzender ich bin, 2015 beschlossen hat, eine ortsgebundene Kulturarbeit in Verbindung mit der Verwaltung des gesamten Komplexes, dem noch Werkstätten und Ateliers angebunden waren, aufgrund des unbezahlten, enormen Arbeitsaufwandes einzustellen. Aber es haben sich neue Möglichkeiten ergeben, zum Beispiel eben die Räumlichkeiten des Jenaer Kunstvereins. Alles hat seine Zeit, auch eine ziemlich coole Hinterhofgalerie in Jenas Zentrum, die Zeit war dort ziemlich schön, aber es muss weitergehen. Kulturräume in Jena gibt es, wie es in Jena auch das Klagen über den Mangel an solchen gibt. In den kapitalistischen Verhältnissen, in denen wir leben, braucht es zumeist ein halbwegs kapitalistisches Konzept, dass die Schaffung eines Kulturraums ermöglicht, auch wenn man die demokratisch-gesellschaftlichen Fördermöglichkeiten bei der Konzeptualisierung mit einbindet, so ist es schwer Kulturräume gegen wirtschaftlich getragene Raumkonzepte durchzusetzen. Ich sehe da durchaus große Gefahren für eine lebendige städtische Kultur, die wesentlich zum gesellschaftlichen Bewusstsein des Individuums beiträgt. Derzeit gibt es mit dem Schlachthof-Projekt eine größere Initiative, das durch Enthusiasten und mögl. Fantasten getragen wird. Zudem gibt es Bestrebungen ein Kunsthaus zu gründen. In unterschiedlichen Kreisen gibt es unterschiedliche Pläne, Wünsche, Vorstellungen und Engagement, die allesamt davon künden, dass es eben nicht genug Raum für die kulturelle Entfaltung gibt. Der wichtigste Faktor neben einem guten Konzept ist aber wohl die Ausdauer des Enthusiasmus, mir fällt da die Initiative der Feuerwache ein, die an verschiedenen Umständen gescheitert zu sein scheint. – Ach ja, und den Zufall habe ich auch noch vergessen, als Faktor für die Schaffung eines Kulturraums und der Zeitfaktor. Interimsnutzungen sind im Kulturbereich ja Praxis.

M.O.: Die unabhängige Kunstszene befindet sich also in der gleichen unendlichen Geschichte wie die Literatur. Wobei die Literatur ja vergleichsweise wenig Raum, Geld, Technik und Material benötigt. – Apropos Literatur. Sprechen wir über dein Buch Feldrandzeichen. Ein ungewöhnlich spätes Debüt für heutige Verhältnisse, oder? Wie kam es dazu?

R.S.: Eine Publikation meiner Texte hatte ich bisher gar nicht gezielt angestrebt. Auf die Empfehlung von Romina Nikolic hat sich dann die Literarische Gesellschaft bei mir gemeldet und mich gefragt, ob ich gewillt sei die Jahresgabe auszustatten. Das hat mich sehr gefreut, da die Literatur schon einen großen Stellenwert in meinem Tun hat, wobei das literarische Schreiben bei mir nicht einer tagtäglichen disziplinierten Schreibarbeit unterworfen ist. Dennoch bemerke ich bei mir eine Kontinuität im Schreiben, die sich über Jahrzehnte spannt mit einer längeren Unterbrechung, in der ich eher wissenschaftlich orientiert war. 2012 fertigte ich ein erstes Manuskript älterer und neuerer Gedichte. Die älteren stammten aus den ersten 2000er Jahren. Grund dafür war wohl der Versuch einer kritischen Selbstinventarisierung, Titel des Manuskripts war dann auch „Interieur“, aus dem ich dann auch ein paarmal öffentlich gelesen habe, und das so eine Art Empfehlungsschreiben war. Nach meiner letzten Lesung in Weimar kam der Verleger eines kleines Verlages auf mich zu und fragte, ob ich mehr davon hätte, er würde mich gerne publizieren – so entwickeln sich die Dinge.

M.O.: Das heißt Feldrandzeichen ist ein Kondensat bereits jahrzehntelanger Schreibarbeit?

R.S.: Das trifft es ganz gut, wobei ich die Texte, die ich vor 2012 verfasst habe, nicht in das kleine Konvolut der Feldrandzeichen aufgenommen habe.

M.O.: „Konvolut“ finde ich einen passenden Begriff, da mir angenehm aufgefallen ist, dass du deine Texte nicht auf eine Form festgelegt oder einen geschlossenen Zyklus publiziert hast. Es scheint eher so, als ob sich die Texte ihre Form zwischen Lyrik und Prosa selbst suchen.

R.S.: Polyphonie ist durchaus ein Thema für mich. Da ist neben der existenziellen Erfahrung, die mich zum Schreiben anregt auch ein freiheitlicher-befreiender Moment im Spielerisch-Relativierenden bei der Formfindung. Allerdings handelt es sich nicht um Wortspielereien, sondern die Form wird letztlich durch den Inhalt und die Umstände beim Schreibprozess bestimmt. Ein Text der in einem Zug an der Schreibmaschine entsteht ist allein schon anders beheimatet als ein Text, der sich aus einer handschriftlichen Notiz übertragen auf einen Computer generiert. Zu diesen äußeren, performativen Faktoren zähle ich auch die Gesetzmäßigkeiten der verwendeten Sprache, grammatikalisch, wie auch semantisch, da fällt dann die Form in den Inhalt. Das sind Momente für mich, die nicht sichtbare, oder selten sichtbare Gesetzmäßigkeiten von Sprache und Sinn und Sein offenlegen.

M.O.: Da du „Sinn und Sein“ ansprichst: Es geht in deinen Texten oft um sehr grundlegende Dinge. Beobachten, Verorten, Zeichen lesen und evtl. deuten. Das ganze spielt sich auf recht minimalistischer Ebene ab. Ist dir eine gewisse Klarheit, eine Schnörkellosigkeit besonders wichtig?

R.S.: Das Kürzen und Minimieren habe ich besonders liebgewonnen bei den Literaturkritiktreffen in der Galerie des Kunsthofs. Ich bin ziemlich skeptisch gegenüber den Möglichkeiten von Prosa, die für mein Anliegen zu aufwendig ist, Dinge, Zustände, Sinneinheiten auf den Punkt zu bringen.Ich bin sicherlich kein Sprachökonom oder Aufmerksamkeitsökonom, aber ich versuche konzentriert ein Grundthema innerhalb des Textes zu verfolgen, meinetwegen auch zu deklinieren um die von dir besagte Klarheit herauszuarbeiten, Da gibt es durchaus auch Bezüge zum Begriff der Karthasis, indem die Literatur selbst die Läuterung ist und das Leben die Erschütterung.

M.O.: Wie geht’s mit deinem Schreiben weiter? Ist eine zweite Publikation schon denkbar und welche Kulturprojekte werden dich in naher Zukunft beschäftigen?

R.S.: Derzeit laufen drei größere Projekte an bzw. werden gerade umgesetzt, an denen sowohl der Kunsthof Jena, als auch der Jenaer Kunstverein beteiligt sind. Zum einen ist da der Frommannsche Skulpturengarten in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte und dem Botanischen Garten Jena, der Holzskulpturen der Künstlerin Ingrid Hartlieb an drei unterschiedlichen Orten Jenas präsentieren wird. In Zusammenarbeit mit dem Theaterhaus Jena startet das Projekt UweUwe von Sebastian Jung, das eine Publikation, eine fünfteilige Webserie und eine szenische Lesung um die Jenaer NSU-Terorristen beinhaltet. Ein ziemlich umfangreiches Projekt. Mein Steckenpferd ist die kleine, aber feine Veranstaltungsreihe note.word.act – eine experimentelle Bühne für Literatur, Musik und Performance, die an verschiedenen Orten Station macht, ich verstehe diese Reihe als Fortführung der Veranstaltungen, die in der Galerie Kunsthof ihren Anfang nahmen. – Mein Schreiben schreitet fort, manchmal landet davon etwas auf Papier oder virtuell in einer Datei, im besten Fall mündet das dann in einer weiteren Publikation, die mir, wie gesagt erst jüngst in Aussicht gestellt wurde, aber das wird realistisch gesehen wohl frühestens erst nächstes Jahr werden.

M.O.: Lieber Robert, hab vielen Dank!

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