SUMMER EDITION Nachlese: Anja Kampmann

bernstein

ein manöver an der ostsee
als hielte sich das licht unter den schallwellen von geschossen
die man zur probe an die kalte schläfe
dieses himmels legt

es ist nicht so gemeint
dass dieser luftraum seine dörfer ganz vergisst
störche kommen
du siehst die bilder dieser flinten in den läufen
murmelt zukunft vor sich hin

es sind nur pflaumen die
ausgetrocknet schwarz zwischen den blüten hängen
schwarze falter täuschungen des lichts

oder die gräben um die Felder
die nun ausgerichtet sind.

Hier ist die Landschaft, das Offene

BALTOPS: So heißt ein multinationales Manöver, das seit 1971 jährlich im Ostseeraum stattfindet. Die NATO übt hier, zuletzt 45 Schiffe, 60 Luftfahrzeuge und 4000 Soldaten aus 14 Nationen; man übt sich in Koordination, Organisation, amphibische Landung: Partnerschaft für den Frieden vor der polnischen Küste. Das Gedicht bernstein von Anja Kampmann steht inmitten eines solchen Manövers; es ist das Auftaktgedicht von Proben von Stein und Licht und damit selbst so etwas wie ein ›Manöver‹: eine Einübung in die Erkundung einer Landschaft, von Offenheit als Gravitationszentrum der Anschauung.

Die ›Landung‹ beginnt, aber »es ist nicht so gemeint«; natürlich ist es das nicht, was hier geschieht, geschieht »auf probe«. In der Zwischenzeit kommen »störche«, bevölkern den »luftraum«, aber die »zukunft«, die sie bringen, verheißt nichts gutes. Russische Kampfflugzeuge ziehen auf, fliegen riskante Manöver: »täuschungen des lichts«. Und dennoch ist es ein hartes Licht, das sich da in dem Gedicht von Anja Kampmann absetzt, sich ständig »unter den schallwellen von geschossen« hinwegducken muss, die Konturen der »gräben« aber nur umso deutlicher hervortreten lässt – »bernstein« wird aus vorgeschichtlicher Zeit.

pn

Anja Kampmann – Proben von Stein und Licht. Gedichte. Edition Lyrik Kabinett/Hanser: München, 2016. (96 Seiten, 15,90 €, ISBN 978-3-446-25053-6)

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